Tour durchs Ländle, erste Etappe
Auf der Fahrt von meiner Heimatstadt Heilbronn zur Montagsdemo in Stuttgart komme ich kurz nach 14 Uhr am Heilbronner Hbf an. Auf der Anzeigentafel wird ein Zug um 14:12 Uhr mit dem Verspätungshinweis »15:16« angezeigt. Da um 15:12 Uhr aber der nächste Zug derselben Linie fährt, fällt der 14:12er also faktisch aus. Ich ahne warum, denn nachts, als ich die neue Verbindungssuche auf www.bahn.de testete, tauchte diese unfrohe Botschaft auf:
Bemerkenswert, dass »Kurzfristige Erkrankung von Personal« bereits 11 Stunden zuvor vermeldet wird, bevor der Tag überhaupt begonnen hat.
Und vielleicht noch bemerkenswerter: Dass man bei einer am Sonntag bekannten Erkrankung bereits weiß, dass es am Montag nicht möglich sein wird, Ersatz aufzutreiben. Entweder ist die Personaldecke so dünn, dass man sich fragt, was das Stuttgarter Verkehrsministerium beim Jonglieren mit mehreren Betreibern eigentlich so tut, oder irgendjemand geht sehr nonchalant mit den Reisebedürfnissen der Kundschaft um.
Aber ich wollte ja zum Stuttgarter Schlossplatz, und zwar ohne den Marathon auf dem Fernwanderweg zwischen den Bahnsteigen und der Tramhaltestelle unter der Straße vor dem Bahnhof. Sondern mit dem Metropolexpress Heilbronn – Tübingen um 14:30 bis Kornwestheim, dann mit der S-Bahn nach Stuttgart-Feuerbach und dann mit der Tram ohne Umsteigen bis zum Schlossplatz.
Kurz vor Ludwigsburg meldet sich der Lokführer: man fahre heute nicht über Stuttgart Hbf und Bad Cannstatt, sondern von Kornwestheim auf einer sonst nur vom Güterverkehr genutzten Abkürzung ohne Halt bis Esslingen. Große Unruhe im Zug, alles macht sich hektisch zum Aussteigen fest. Ich bleibe ruhig, denn ich will ja eh nur bis Kornwestheim, und so für mich ändert sich ja nichts.
Doch. Da das einzige WC in der hinteren Triebwagengarnitur abgeschlossen ist, muss ich in Ludwigsburg aussteigen und nach vorne eilen, wo glücklicherweise das dortige WC frei ist. Diese Pendlerzüge fahren rund 90 Minuten kreuz und quer durchs Ländle, haben aber bei einer hohen dreistelligen Anzahl von Sitz-und Stehplätzen pro Triebzuggarnitur nur einen einzigen Sitzplatz, wenn’s pressiert.
Und in Kornwestheim wird die Bahn auf das östlichste Gleis geleitet, um die Nebenstrecke erreichen zu können. Dieser Bahnsteig hat als einziger keinen Aufzug. Wer auf einen angewiesen ist, wäre jetzt gefangen.
Das Warten auf die S-Bahn dauert. Als sie mit 10 Minuten Verspätung einläuft, ertönt die Durchsage, sie verspäte sich um etwa 15 Minuten. Schwäbische Präzision sah schon mal anders aus. Der Grund sei eine Verspätung aus der Vorleistung. Mit derselben Begründung wird der Totalausfall einer späteren S-Bahn angekündigt. Beim Fernverkehr heißt sowas »Pofalla-Wende«, weil dieser hochkompetente Politiker im DB-Vorstand vorgeschlagen hatte, verspätete Züge vor ihrem Endbahnhof zu stoppen, damit sie ab dort pünktlich zurückfahren könnten. Die Reisenden zum und vom Endbahnhof (und darüber hinaus) mussten sich halt irgendwie durchschlagen. Wie mag das in Stuttgart heißen? Kretschmann-Wende nach dem Ministerpräsidenten? Hermann-Wende nach dem Verkehrsminister? Nopper-Wende nach dem Oberbürgermeister?
Was es jedenfalls nicht ist: Eine Verkehrs-Wende. Denn die braucht Zuverlässigkeit, und das heißt auch: Personalreserven und Fahrzeugreserven.