rail blog 19 / Joachim Holstein

Einweihungsfeier bei der 174. Fahrt

Als ich am 16. Januar auf der 644. Stuttgarter Montagsdemo über den Erfolg der Nachtzüge sprach, erwähnte ich auch den nach 28 Jahren wieder eingeführten Nachtzug zwischen Hamburg-Altona und Stockholm – damals führte er den Namen »Alfred Nobel«, den jetzigen Zug hat die Presse »Greta-Express« getauft, und zwar schon bevor Greta Thunberg ihn nutzte, um Richtung Lützerath zu fahren. Der neue Zug ist eine spannende Konstruktion: er wird betrieben von den Staatsbahnen Schwedens (SJ) und Dänemarks (DSB), aber in Deutschland wollte die DB diesen Zug nicht betreiben, sodass RDC Deutschland, die 2009 gegründete Tochter der US-amerikanischen Railroad Development Corporation, einsprang. RDC betreibt seit 2016 den Autozug auf der zuvor von der DB bedienten Strecke zwischen Hamburg-Altona und Lörrach und seit 2020 den Alpen-Sylt-Nachtexpress.

Da schwedische Wagen zu breit für das dänische und deutsche Lichtraumprofil sind, war die Beschaffung des Rollmaterials das größte Problem dieses Zuges. Verschärft wurde es durch eine geradezu groteske Verweigerungshaltung der dänischen Behörden, die sogar Waggons, die in DB-Zügen bis 2014 durch den Tunnel unter dem Großen Belt gefahren waren, die Freigabe mit der Begründung verweigerte, die damalige Zulassung gelte nur für die Staatsbahn DB, aber nicht für das heutige Mischkonstrukt aus Staats- und Privatbahnen.

Nun können Schweden und Deutsche aber auch stur sein – sie sagten sich: »Der Zug fährt! Und wenn nur ein einziger Wagen hinter der Lok hängt!«

Es waren immerhin zwei Liegewagen, die am 1. September 2022 in Hamburg-Altona von SJ, RDC und den Aktiven von »Prellbock Altona« und »Back on Track« auf die Reise geschickt wurden. Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende Anjes Tjarks (Grüne) hatte seine Teilnahme storniert, und so wurde verabredet, den »großen Bahnhof» irgendwann nachzuholen. Im Laufe von 25 Wochen wurden mehr und mehr Wagen zugelassen, bis er mit Schlafwagen, Liegewagen und Sitzplätzen in einem weiteren Liegewagen das volle Angebot eines Nachtzuges bieten konnte, Doppelbetten inclusive.

Zelebriert wurde die »offizielle« Einweihung jetzt am 20. Februar, wobei sich Schwedens Botschafter Per Thöresson und Hamburgs Staatsrat Martin Bill als überzeugte Nutzer von Nacht- und Autoreisezügen (»mit Kindern ideal«) präsentierten.

http://prellbock-altona.de/gestern-am-bahnhof-altona/
https://www.nachtzug-bleibt.eu/schweden/

Von Ende März bis Ende September wird der Zug bis Berlin verlängert, wodurch die Hauptstadt dank des privaten »Snälltåget« an manchen Abenden sogar zwei Nachtzüge nach Stockholm hat!

Und vielleicht ist die DB irgendwann auch bereit, den SJ-DSB-RDC-Zug in ihren Aushangfahrplänen aufzulisten …

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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