rail blog 209 / Andreas Kleber

Eine Fahrt im TEE RHEINGOLD – Dank Mosche Dajan

09.12.1970

In der Savoy Hotel Co. halfen wir uns bei den großen Veranstaltungen gegenseitig aus. Die Überstundensteuer war damals recht hoch und um die zu vermeiden, wechselten wir uns innerhalb der Savoy Hotel Group: bei den Abend Banketts ging ich nach Dienstschluss im Claridge’s als Chef de rang in der Banquetting Bar.

Am MI, 09.12.1970 gab der Verband der British-US Rüstungsindustrie im Savoy Hotel einen Empfang für ca. 300 geladene Gäste. Ehrengäste an diesem Abend waren der israelische Verteidigungsminister Mosche Dajan, sein britischer Kollege Baron Carrington sowie der US-Militärattaché in London.

Gezeigt wurden u.a. Modelle und Bilder vom Hawker Siddeley Harrier, Raketen, Panzer und Militärfahrzeuge, Waffensysteme; auch die Marine war vertreten. Alles, was laut Mosche Dajan „Israel needs“. Sein Land befand sich damals in militärischen Auseinandersetzungen mit der PLO.

Nach 10 Wochen bekam ich vom 19.-27.12. frei. Nach fast einem Jahr von zu Hause wollte ich über Weihnachten dort sein. Schon immer war eine Fahrt mit dem TEE 10 RHEINGOLD mein Wunsch für eine Fahrt von London in die Heimat: 1. Klasse im TEE, Einzelkabine auf dem Schiff die Nacht hindurch bis Hoek van Holland, von da mit dem RHEINGOLD bis Karlsruhe und auf der Schwarzwaldbahn bis Donaueschingen und auf der Donautalbahn in meine Heimatstadt. Die Fahrtkosten von 22£ 13s.6pc. (damals ca. 221,70 DM) überstiegen jedoch meinen Wochenlohn (1. Kl. Fahrt 1970 in DM: 182,40 + 28,30 TEE-Zuschlag + 11 Inneneinzelkabine) und das Frühstück und Mittagsessen im RHEINGOLD war noch nicht eingerechnet!

Meiner Tätigkeit im Banqueting des Claridge’s kam mir auch als gelernter Sommelier zugute, dass ich an der Banqueting Wine List mitwirkte, die in den Hotels der Savoy Group gleich waren. Dadurch übertrug mir der Bankettchef die Bar in der Mitte zur Leitung, in welcher Champagner sowie auch verschiedene Weine angeboten wurden. Die anderen 8 Bars boten die üblichen englischen Cocktails und Mixgetränke an. 5% des Umsatzes bekam ich zusätzlich für die ausgeschenkten Champagner und dementsprechend teuren Weine. 2 meiner MA halfen beim Ausschenken, 2 sorgten für den gekühlten Nachschub. Nach der Begrüßung kam Captain Spicer mit Mosche Dajan auf mich zu: die beiden kannten sich von der Suezkrise und Sinai Krieg 1956. Zu Captain Spicers Freude offerierte ich 1965 Bollinger Brut Magnum; der ihnen und anderen Gästen sehr mundete; nach drei Flaschen hatte ich zumindest den TEE-Zuschlag schon verdient! Verschiedene Champagner, aber auch 1964 Chassagne Montrachet etc… waren nachgefragt. Ging es an diesem Abend sicher auch um lukrative Geschäfte?

Bei Gänseleber, Räucherlachs, Scampi etc…steigerte sich die Lust auf Champagner und Wein, so dass mit meiner zusätzlichen Entlohnung an diesem Abend einer RHEINGOLD Fahrt, inklusiv Frühstück und Mittagessen im DSG-Speisewagen, nichts mehr im Wege stand.

Am FR, 18.12. fuhr ich nach Beendigung meiner Arbeit mit der Central Line zur Liverpool Street Station. Wegen des starken Weihnachtsverkehrs fuhr zuvor ein Entlastungszug. Ich bestieg den Hook Continental nach Harwich Parkeston Quay. Selbst im First Class Salon hatten Rheingold-Reisende reservierte Plätze. Nach 1h20 min. erreichte der Zug Harwich Parkeston Quay; die SS AVALON nach Hoek van Holland stand bereit. Die Menge von Reisenden von drei Zügen (1 von London, 1 von Manchester) wurde durch die Paßkontrollen aufs Schiff gelassen, welches sich um 22 Uhr in Bewegung setzte. Als das Schiff losfuhr, schaute ich noch auf das nächtlich beleuchtete Harwich, bevor ich in meine Kabine ging und dem nächsten Tag entgegenschlief.

Am nächsten Morgen 06.00 kam ein Stewart mit Tee und Keksen. Um 06.15 legte die Avalon im Hafen von Hoek van Holland. Die Massen von Reisenden verteilten sich auf die 3 bereitstehenden Züge; wobei den wenigen Reisenden des TEE 10 RHEINGOLD ein bevorzugtes, schnelleres Verlassen des Schiffes mit anschließender Paß- und Zollkontrolle gestattet wurde; schließlich verließ TEE 10 RHEINGOLD als erster Zug um 07.10 den Bahnhof. Von einer NS-Elok cl. 1600 bespannt, bestand er aus 3 Wagen:

Apm und WG nach München sowie ein Avm nach Mailand, welcher in Basel auf den TEE ROLAND überging. In diesem hatte ich einen Fensterplatz reserviert. Doch zunächst ging ich in den Speisewagen; eine bayerische Crew servierte mir ein gutes Frühstück mit Ei und Käse.

Nach einem Halt in Schiedam-Rotterdam West erreichte der Zug ca. 1 Stunde später Utrecht, wo schon der Hauptzug des RHEINGOLD aus Amsterdam am Nachbargleis bereitstand: Innerhalb von 9 Minuten ein Rangiermanöver: der Avm nach Mailand wurde an den Schluß des Amsterdamer TEE rangiert, unsere Lok mit den beiden Münchner Wagen an die Spitze: angekuppelt an einen Avm Amsterdam-München; dahinter ein Apm und Avm – der Hauptzug – nach Genf, ein Avm nach Chur und am Schluß eben unser „Mailänder“.

Um 09.00 war der inzwischen aus 7 Wagen bestehende TEE in Arnhem, danach Emmerich. Lokwechsel: die NS-Lok wurde durch eine gepflegte 112 (ex E 10.12) ersetzt, um 09.26 fuhr der RHEINGOLD nach Duisburg; der TEE 22 RHEINPFEIL aus Dortmund stand am Nachbargleis und es begann ein interessantes Rangiermanöver zwischen den beiden Zügen: unsere 112 mit den Münchener Wagen fuhr außerhalb des Bahnhof; der RHEINPFEIL wurde zwischen den beiden Dome Cars getrennt; innerhalb von 14 Minuten wurden beide Züge „zusammengestellt“: Der RHEINGOLD wurde um den Dome Car und den Speisewagen nach Genf, sowie je einem Avm nach Mailand und Chur erweitert; die 112 von Emmerich mit ihren Wagen von Amsterdam und Hoek van Holland nach München an die Spitze des RHEINPFEIL rangiert, so dass sich bei beiden Zügen Dome Car und Buckelspeisewagen in der Mitte der Züge befanden, ebenso am Ende des RHEINGOLD die Kurswagen nach Chur und Mailand. Pünktlich 10.14 verließ der RHEINGOLD Duisburg; um in Köln auf den TEE SAPHIR Brüssel-Hannover, einem 601 zu treffen. Ich reservierte einen Platz im Speisewagen zum 1. Mittagessen; wollte den RHEIN entlang dies genießen: Blütenweis eingedeckte Tische und Stoffservietten und Blümchen auf den Tischen, ein Oberkellner der alten Schule mit flinken Service-MA servierten ein 3-Gang-Menu, bei welchem ich mich noch an das glacierte butterzarte Kalbsfrikandeau mit Waldpilzen als Hauptgang erinnere und die Auswahl erlesener Weine aus Rhein und Mosel. Zum Abschluss nahm ich noch einen Sekt an der Bar des Dome Car ein; wo ich ebenfalls noch ein Teil meiner Reise verbrachte.

Viel zu schnell verging die Reise im wohl bekanntesten Zug, dem Aushängeschild der Deutschen Bundesbahn. In Karlsruhe verließ ich den TEE RHEINGOLD, um von dort im D-Zug über die Schwarzwaldbahn fahren; den Wintersonnenuntergang genießend. Ab Donaueschingen ging es dann mit dem Eilzug Freiburg (Brsg.) – Ulm weiter: zum ersten Mal sah ich die 215. In Mengen, 12 km von Saulgau entfernt, wurde ich dann abgeholt…

Sechs Mal bin ich danach noch mit dem RHEINGOLD gefahren: Darunter drei Mal von England aus.

Es mag (nicht nur) ich es bedauern, dass es solche Züge wie den RHEINGOLD nicht mehr gibt. Doch im Zeitalter der Hochgeschwindigkeitszüge haben sie halt keinen Platz mehr?

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