rail blog 22 / Werner Sauerborn

Projekte à la Stuttgart 21 und das Klima

(Stark gekürzter Beitrag auf Friday-Demo 3. Feb. 2023, Marktplatz Stuttgart)

Krisenzeiten sind die Stunde der Macher, des ‚Hauptsache-schnell‘, der sog. Deutschlandgeschwindigkeit. Schnell leider vor allem beim Abräumen demokratischer Beteiligungsrechte, die oft genug vor dem größten Unsinn geschützt haben und schnell beim Abräumen von Klimazielen. So bei Genehmigung und Ausbau der LNG-Terminals, über die Gas, auch aus Fracking, aus aller Welt ins Land befördert wird – eine angeblich nur befristete Rückkehr in den Fossilismus. Und weil man gerade so schön in Schwung ist, will Wissing auch die neue Deutschlandgeschwindigkeit beim Autobahnbau durchdrücken. Ein No-Go, gegen das wir uns mit all unserer Kraft stemmen müssen!

Und dann ist da auch die Rede vom beschleunigten Ausbau des Eisenbahnnetzes. Klingt ja erstmal so allgemein gut. Aber Schienenausbau ist nicht an sich richtig. Es gibt sinnvollen, aber auch extrem klimadestruktiven!

In dem Webinar von ‚Fridays for future‘ sagt kürzlich Katja Diehl: „Das Allerschlimmste, was man machen kann, ist Tunnelbau. Das ist der größte Emittent schlechthin von CO2!“ – und bezieht sich dabei auf den Lobau-Tunnel, einen geplanten 2 x 8,2 km langen Autotunnel unter Wien, gegen den die Grüne Umweltministerin Gewesseler erfolgreich (gerichtlich gegen ihren Koalitionspartner!) zu Felde zieht. Hiesige Grüne aufgemerkt!

Was für einen Autotunnel zutrifft, gilt physikalisch natürlich genauso für Eisenbahntunnel – es sei denn, es gibt keine Alternativen und sie machen verkehrlich Sinn. Unter dem Druck der Betonindustrie und vieler anderer verfolgt die DB jedoch weiter die Strategie der Rennstrecken mit möglichst vielen Tunneln. In der Klimabilanz muss aber die sog. ‚Graue Energie‘ mit dem exzessiven Einsatz von Stahlbeton einbezogen werden, sowie der dreimal so hohe Energieverbrauch bei Tempo 300 statt 160, und der viel höhere Materialverschleiß. All das potenziert sich bei Tunneln, besonders bei extrem steilen wie Stuttgart 21.

Würde man unter Berücksichtigung all dessen die Klimabelastung des gefahrenen Kilometers im geplanten S21-Netz, inclusive Neubaustrecke, ermitteln, so dürfte rechnerisch das Fliegen und Autofahren klimafreundlicher sein als Bahnfahren. Die Schiene verspielt so ihren klimabilanziellen Vorsprung gegenüber anderen Verkehrsträgern.

S21 steht da für viele solcher Projekte bundesweit. Und bei S21 geht es nicht um 2 x 8,2km wie beim Lobau-Tunnel, sondern um die schon gebauten knapp 60 km. Weil die an allen Ecken und Enden nicht funktionieren, sollen jetzt weitere 47 km Tunnel zusätzlich gebaut werden – die das Projekt aber auch nicht retten werden. Wir nennen das S21 Zwo. Das alles ist verhinderbar und es gibt klimagerechte Alternativen.

In diesem Sinne:

Kohle bleibt unten, Bahnhof bleibt oben und Autobahnpläne bleiben Makulatur!“

Über Werner Sauerborn

Dr. rer. soc. *1949, Geschäftsführer des Aktionsbündnis gegen Stuttgart21, dort Vertreter der „Gewerkschafter*innen gegen Stuttgart 21“. Zuvor wiss. Mitarbeiter FU Berlin, Otto-Suhr-Institut, Forschung zur Privatisierung Öffentlicher Dienstleistungen, Gewerkschaftssekretär bei ötv bzw. ver.di im Bereich Politik und Planung

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