Warum DB Cargo nicht aus den roten Zahlen kommen kann
Mit großen Vorschusslorbeeren kam Sigrid Evelyn Nikutta von der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG, wo sie durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit das Image von einem notorisch kundenfeindlichen, mickrigen Verkehrsbetrieb hin zu einem hippen, dynamischen Unternehmen gedreht hatte, zur DB. Den Vorstandsposten als Chefin von DB Cargo sah sie wohl nur als Interimsstation, stand sie doch bei den Grünen hoch im Kurs die Nachfolge von dem als CDU nah geltenden Vorstandsvorsitzenden Richard Lutz anzutreten. Bei der DB hätte das BVG Erfolgskonzept der studierten Psychologin sicher auch gezogen. Aber aus diesem Traum wurde nichts, da die Grünen bekanntermaßen zugunsten des Außenministeriums auf das Verkehrsressort verzichteten und bei der FDP war Frau Nikutta nicht wohlgelitten. Aber im rauen Cargogeschäft helfen keine flotten Sprüche und eine aufdringliche Selbstvermarktung der Vorstandsvorsitzenden nicht weiter (siehe Porträt von Frau Nikutta in: Der Spiegel 42/2023, S.72 ff „Auf der PR-Schiene“ und Artikel im Managermagazin 11-2023 in gleicher Tonalität).
Und die roten Zahlen bei DB Cargo von -858 Mio. in 2022, (-351 Mio. Euro in 2021, -887 Mio. Euro in 2020, 488 Mio. Euro in 2019, 341 Mio. Euro in 2018) bei einem stagnierenden Umsatz von jeweils knapp 3,5 Mrd. Euro in diesen Jahren, sind nicht Frau Nikutta anzulasten, sondern sie haben strukturelle Ursachen. Daher liegt der Marktanteil von DB Cargo im Schienengütertransport in Deutschland auch nur noch bei knapp 50% mit abnehmender Tendenz. Den Markt bestimmen die rd. 200 kleineren und größeren Güter-EVUs sowie auch die Waggonvermietungsgesellschaften, die mittlerweile auch selber Eisenbahntransporte anbieten. Sie setzen mit ihren modernen Wagenparks der DB Cargo immer mehr zu.
Dieses Strukturproblem erschließt sich einem beim Blick auf die Zusammensetzung der knapp 83.000 Güterwagen, über die DB Cargo verfügt. Denn bei den 71.00 eigenen, der Rest sind angemietete Güterwagen, handelt es sich um veraltete und technisch anspruchslose Flachwagen (36.000), offene Wagen (21.000) und gedeckte Wagen (14.000). Aber nur 500 Behälterwagen finden sich in der Flotte von DB Cargo. Bei den angemieteten Wagen dürfte es sich im Wesentlichen um modernere Behälter- und Containertragwagen handeln. Mit eigenen Güterwagen kann die DB dann auch nur einfache und margenschwache Schüttgüter wie Kohle, Erze, Kies und Sand, Holzstämme, nässeunempfindliche Stahlprodukte etc. transportieren.
Die modernen, technisch anspruchsvolleren Behälter-, Gas-, Tank-, Chemikalien-, Getreide-, Zement- und Containertransportwagen befinden sich nahezu vollständig im Besitz privater Gesellschaften, die ausländischen Hedge-, Pensions- und Staatsfonds gehören oder an ausländischen Börsen notiert sind. Das sind die bunten, glänzenden und neuwertig aussehenden Güterwagen auf deutschen Schienen der Firmen VTG, Transwaggon, Wascosa, Ermeva, GATX, NACCO, Millet, ERR usw. (zur Besitzstruktur der Güterwagen in Deutschland siehe im Einzelnen: DB Cargo – Hülle ohne Wert, oder: Wem gehören die Güterwagen in Deutschland“ in „Die Deutsche Bahn neu aufgleisen“ Alternativer Geschäftsbericht Deutsche Bahn 2022, Hamburg 2023). Das Geschäftsmodell dieser Waggonbesitzer besteht darin, ihre Waggons kurz-, mittel- und langfristig an Firmen, Versender und Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVUs) zu vermieten. Zwischenzeitlich bieten diese Firmen aber auch ganze Logistikketten mit ihren Waggons an und mieten sich für den Transport Lokomotiven von den immer zahlreicher werdenden Lokomotivvermietungsgesellschaften, wie MRCE, Railpool, Captrain, TXL usw. In der Darstellung der gesamten Logistikkette – wohlweislich auf den Ganzzugverkehr beschränkt – liegt das große Geschäft. Dieses teilen die Privaten, sicher auch aufgrund größerer Effizienz und weniger interner Bürokratie unter sich auf, und DB Cargo guckt in die Röhre.
Will nun DB Cargo selber eine solche Logistikkette im profitablen Ganzzugverkehr für ein Unternehmen z.B. der Chemieindustrie anbieten, dann muss sie zuerst bei den privaten Waggonvermietern die entsprechenden Güterwagen anmieten. Die Lokomotiven hat man ja noch selber. Plant das Waggonvermietungsunternehmen selber, die Logistikdienstleitungen für die ausgeschriebenen Transportleistungen anzubieten, wird DB Cargo die benötigten Güterwagen garantiert nicht zu einem wettbewerbsfähigen Preis bekommen – und hat das Nachsehen. Und in diesem Geschäft mischen zwischenzeitlich 206 Anbieter von Schienengüterverkehrs-Transportleistungen mit, darunter auch Ableger der ausländischen Staatsbahnen wie SBB-Cargo International, Trenitalia über TX-Logistik und Boxxpress, SNCF mit Captrain Deutschland, die ÖBB über Rail Cargo Carrier sowie PKP-Cargo mit. Weitere wichtige Wettbewerber von DB-Cargo sind HSL-Logistik, MetransRail, hinter der sich die im öffentlichen Besitz befindliche Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG verbirgt, Rheincargo, hinter der die ebenfalls im öffentlichen Besitz befindliche Häfen und Güterverkehr Köln steckt, Lokomotion, RTB Cargo, HVLE, die interessanterweise alle profitabel sind.
Bis vor rund zehn Jahren konnte DB Cargo unerwünschte Wettbewerber über konzerninterne Tricksereien bei der Trassenvergabe durch DB Netz und der Preisgestaltung für den benötigten Traktionsstrom auf Distanz halten. Diesen Praktiken haben Gerichte zwischenzeitlich weitgehend einen Riegel vorgeschoben, so dass DB Cargo sich jetzt einem starken Wettbewerb von Konkurrenten, die strukturell besser aufgestellt sind, gegenübersieht und wegen unterbliebener Investition in moderne Güterwagen nicht gewinnen kann.
So bleibt DB-Cargo, abgesehen vom Führen schwerer, aber margenschwacher und Gleis zerstörender Erz-Züge (z.B. 5.000t Erz-Züge von Hamburg-Hansaport nach Salzgitter oder Rotterdam nach Dillingen/Saarland, in Konkurrenz zum möglichen Binnenwasserstraßentransport), nur der Einzelwagenladungsverkehr. Dieser ist mit einem hohen und kostspieligen Rangieraufwand verbunden und daher strukturell unwirtschaftlich, konkurriert dieser doch direkt mit der LKW, der bei kleineren Transportmengen flexibler und kostengünstiger ist. Nichtdestotrotz ist der Einzelwagenladungsverkehr notwendig, ja für eine Verkehrswende notwendiger denn je. Aber hier hat die DB selber die Axt an ein wichtiges Geschäftsfeld gelegt, in dem sie seit 1994 80% aller Werksanschlussgleise abgebaut hat, und sich somit von Kunden getrennt hat. Aufgrund der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit auch kleinere Transportmengen, die nur ein oder zwei Güterwagen füllen, auf die Schiene zu holen, fordert DB Cargo jetzt einen Zuschuss in Höhe von 350 Mio. Euro/Jahr aus Steuermitteln, um die Verluste aus diesem Geschäftszweig abzudecken. Ob ein FDP-Verkehrsminister diesen aber gewähren wird, ist mehr als fraglich. So bleibt DB Cargo trotz einer engagierten Vorstandsfrau weiter im Sumpf roter Zahlen.