Vom Öresund nach Tirol
In diesem Winter gibt es wieder einen Skizug aus dem Süden Skandinaviens in die österreichischen Alpen. Von Malmö aus und mit weiteren Zustiegen nahe Kopenhagen, in Odense, Kolding und Hamburg (!) fährt er via München und Salzburg nach Innsbruck mit Ausstiegen in Bischofshofen, St. Johann im Pongau, Schwarzach-St. Veit, Zell am See, St. Johann in Tirol, Kitzbühel, Wörgl und Jenbach. Zusätzlich werden Bustransfers von den österreichischen Bahnhöfen in die einschlägigen Skiorte angeboten.
https://www.snalltaget.se/en/thealps
Die Hinfahrt erfolgt vom 22.12. bis zum 29.3. jeden Freitag; der Zug verlässt Malmö um 14:40 Uhr und Hamburg um 21:00 Uhr; die Ankünfte reichen von München um 7:21 Uhr über Zell am See um 10:55 Uhr bis Innsbruck um 13:00 Uhr. Fünf Stunden später fährt der Zug wieder zurück, bietet den Zustieg in Salzburg um 22:25 Uhr und erreicht Hamburg sonntags um 8:57 Uhr und Kolding um 13:00 Uhr, bevor er um 16:21 Uhr in Malmö endet.
So viel übrigens auch zum Thema »Nachtzüge fahren nur nachts und stehen den ganzen Tag nutzlos in der Gegend herum«, siehe meinen Blog 241 vom 23.12.2023.
Die Ankunfts- und Abfahrtszeiten in Österreich passen prima zum Bettenwechsel im Hotel und bedeuten damit einen weiteren Komfortvorteil gegenüber einem Flug am Samstag nach Salzburg oder Innsbruck plus anschließendem Busverkehr – von der CO2-Bilanz ganz zu schweigen. Die gibt Snälltåget folgendermaßen an: im Flugzeug von Malmö nach Salzburg und zurück 267 kg pro Person, hinzu kommt noch der Schadstoffausstoß des Transferbusses vom Salzburger Flughafen zum Zielort. Bei Benutzung eines Benzin-Pkw der Mittelklasse mit vier Reisenden: 128 kg pro Person. In einem Bus, der Pflanzenöl statt Diesel tankt: 8 kg pro Person. Im Nachtzug: 1,2 kg pro Person. Andersherum: Mit dem, was ein einziger Flugreisender an CO2-Ausstoß verursacht, kann ein Nachtzug 210 bis 230 Reisende befördern.
Da sollte doch klar sein, wen die Politik höher besteuert und wen sie durch Investitionen fördert, oder?
Solche Wintersportzüge wurden früher auch von der DB betrieben: Wir fuhren von Hamburg – und meist auch von Dortmund – ins slowenische Maribor, nach Selzthal, Klagenfurt, Schwarzach-St. Veit, Wörgl, Innsbruck und Bludenz in Österreich, nach Bozen in Italien, nach Chur, Brig, Lausanne und Genf in der Schweiz, nach Bourg-St-Maurice und Modane in Frankreich und nach Oberstdorf. Ich schrieb darüber im Blog 94 vom 10.06.2023 und im Blog 182 vom 23.09.2023. Eine Reihe dieser Ziele wurde auch im Sommer angesteuert, hinzu kamen Ziele wie Rijeka, Villach, Venedig, Rimini, Livorno, Alessandria, Narbonne, Fréjus und Lörrach – teils als Nachtzüge, teils als Autoreisezüge.
Noch um 2000 herum war das Verkehrsaufkommen zu Beginn der Hamburger Frühjahrsferien Anfang März so hoch, dass Destinationen, die sonst mit zwei Halbzügen angesteuert wurden (zum Beispiel: je eine Kursgruppe nach Brig und nach Chur bzw. je eine Kursgruppe nach Oberstdorf und nach Innsbruck via Bregenz) jeweils einen Vollzug mit 12 bis 14 Wagen bekamen und dass zusätzlich die SBB eigene Wagen für einen zusätzlichen Zug von Hamburg nach Brig stellte. Es fuhren also von Hamburg-Altona aus binnen weniger Minuten drei Skizüge in die Schweiz, wo sonst »nur« einer fuhr. Die DB setzte damals alles ein, was Räder hatte, bis hin zu alten Liegewagen der Deutschen Reichsbahn. Die Züge waren so voll, dass wir keine Chance hatten, mit bestelltem Essen durch die Gänge zu balancieren – wir behalfen uns damit, dass die Würstchen im (einzigen) Speisewagen so terminiert wurden, dass wir sie während eines längeren Aufenthaltes an einem Grenz- oder Kopfbahnhof »außen herum« abholten und dann mit 5 bis 15 Essen auf dem Bahnsteig den Zug entlangliefen – was natürlich weitere, spontane Essensbestellungen zur Folge hatte.
Hinzu kamen während der dänischen Skiferien die als »Skiløberen« bekannten Sonderzüge aus Kopenhagen oder dem jütländischen Fredericia in die Alpen. Außerdem gab es dänische Veranstalter, die in unseren Zügen mehrere Waggons komplett reservierten und ihre Kundschaft mit Charterzügen nach Hamburg-Altona brachten. Die Waggons und Abteile dieser dänischen Züge waren mit dem Nummernsystem unserer Liegewagen versehen worden, und da die Züge auch noch am selben Bahnsteig gegenüber ankamen, stand die Kundschaft am Bahnsteig schon säuberlich aufgereiht, wenn unser Nachtzug an Gleis 12 bereitgestellt wurde. Die Reisenden verschwanden dann mit einer angesichts dieser Disziplin erklärbaren, aber bei anderen Reisegruppen nie erlebten Geschwindigkeit mitsamt ihrem Gepäck in ihren Abteilen – und stellten sich sofort danach in einer Warteschlange an unseren Dienstabteilen auf. Da unsere Firma natürlich überhaupt nicht auf die Idee gekommen war, den Warenbestand an die Kundschaft anzupassen, blieb kaum Bier für die Rückfahrt übrig, und der »snaps« war manchmal schon zwei Minuten nach Abfahrt ausverkauft.
Aber dieselbe DB, die sich auch bei vielen anderen Gelegenheiten als ausgesprochen lethargisch erwiesen hatte, wenn es um die Berücksichtigung von Kundenwünschen ging, war dann bei der Kapitulation vor den aufkommenden Billigfliegern blitzschnell und zugleich extrem kreativ, indem der verbliebenen Bahnkundschaft die Nutzung von samstags verkehrenden ICEs in Richtung Alpen als modernere Form der Bahnanreise angepriesen wurde. Dass dies Unfug und Kundenveralberei war, konnte man mit einem Blick auf die Ankunftszeiten (Samstagabend zwischen 18 und 21 Uhr statt Samstagmorgens zwischen 6 und 9 Uhr) sehen, zumal man meist noch mit dem gesamten Gepäck vom ICE auf kleinere Züge umsteigen musste.
Die privaten Unternehmen hingegen fuhren weiter und boten zum Teil sogar neue Züge an, als Beispiel sei der Alpen-Sylt-Express genannt, den die RDC einige Jahre lang auf die Schiene stellte, ehe sie die Waggons für den neuen, täglich verkehrenden Euronight von Stockholm nach Hamburg und Berlin brauchte.
Andere machen also jetzt die Geschäfte, die die DB nicht mehr wollte.