rail blog 251 / Michael Jung

DB-Stillstandsmanagement jetzt „DB Resale“ –  Gesellschaft zur Verschleuderung öffentlichen Eigentums?

Mit dem raschen Zulauf neuer ICE4-Einheiten, die angesichts der Streckensperrungen im Rahmen der Generalsanierung überhaupt nicht in dem Maße benötigt werden, wie sie von der Industrie abgeliefert werden, rangiert die DB beschleunigt alte Zuggarnituren und Lokomotiven aus, die durchaus noch funktionsfähig sind. Diese werden dann bevorzugt auf bestimmten Betriebs- oder wenig genutzten Rangierbahnhöfen abgestellt. Die DB versucht dann, diese Einheiten möglichst ins Ausland zu verkaufen. Von den Käufern im Ausland gelangen dann diese Einheiten dann z.T. wieder nach Deutschland, denn die DB möchte mit dem Verkauf alten Rollmaterials vermeiden, dass es direkt in die Hände der von ihr nicht geliebten Konkurrenten wie Flixtrain gelangt.

Daher erhält man auf den einschlägigen Webseiten, die jetzt unter „DB Resale“ firmieren, weil Stillstandsmanagement zu sehr nach Stillstand aussieht, bei der Suche nach Reisezugwagen oder Lokomotiven die Antwort „Wir haben kein geeignetes Angebot für sie“. Was aber nicht stimmen kann. Denn die derzeitige Ausmusterungswelle betrifft besonders die IC-Personenwagen aus den späten 1970er und 1980er Jahren. Diese an sich robusten, bis 200 km/h lauffähigen Wagen, die noch nicht mit störanfälliger Elektronik vollgestopft sind, für die es i.d.R. nach 20 Jahren keine Ersatzteile mehr gibt, haben bei guter Pflege und Instandhaltung durchaus eine Lebensdauer, die über 50 Jahre hinausreichen kann. Diese Fahrzeuge befinden sich derzeit in großen Stückzahlen auf den Betriebshöfen in Hamm/Westfalen, Leipzig Engelsdorf, aber auch in den Ausbesserungswerken Neumünster, Wittenberge und dem riesigen Abstellbahnhof in Mukran auf Rügen. Leider lässt die DB diese Wagen dort langsam vergammeln, um sie dann mit dem Argument, „eine Aufrüstung für das digitale Zeitalter“ sei wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten, und man einen Verkauf an die Konkurrenz partout vermeiden wolle, dann den im Eisenbahnbereich bekannten Verschrottungsunternehmen zuführen zu können.

Als Hintergrund für das Verhalten der DB muss man wissen, dass alles Rollmaterial (darunter auch die 50 ICE 1-Einheiten) im Bestand der DB per 1.1.1994, dem Zusammenschluss der beiden deutschen Bahnen, durch die komplette Entschuldung der Bahn durch den Staat faktisch zum Erinnerungsbuchwert von 1 Euro pro Fahrzeug in die Bilanz der DB AG aufgenommen wurde. Sie stellen somit im volkswirtschaftlichen Sinne öffentliche Vermögenswerte dar, in den Augen der DB-Controller allerdings nur Buchungsposten mit einem Erinnerungswert. Dementsprechend „großzügig“/=fahrlässig geht die DB mit diesen Vermögenswerten um.  Noch drastischer lässt sich das im Lokomotivbestand beobachten, wo die DB munter durchaus funktionsfähige E- und Dieselloks an Verschrotter verkauft, nur damit sie nicht in die Hände der mittlerweile weit über 60 privaten Betreiber von Güterbahnen gelangen, die in diesem Segment der DB massiv Konkurrenz machen und ihr schon 50% des Marktes abgenommen haben.

Ein ähnliches Trauerspiel sieht man im Bereich der Nahverkehrsfahrzeuge. Durch die Spezifikation immer neuer Fahrzeuge durch die Aufgabenträger und der heutigen Philosophie der Abkehr von lokbespannten Einheiten im SPNV zugunsten von Triebwagen, stehen auf den besagten Betriebshöfen hunderte von noch recht neuen und funktionsfähigen Doppelstockwagen und anderen SPNV-Fahrzeuge rum, die aber nach mehreren Jahren ohne Bewegung und Pflege – nicht umsonst nennt die DB diesen Geschäftszweig ja auch „Stillstandsmanagement“- in der Tat ein Fall für den „Endverwerter“=Verschrottungsunternehmen sind. Denn auch Schienenfahrzeuge bekommen bei langem Stillstand einen „Standplatten“ sprich Flachstellen und die Elektronik gammelt bei Nichtnutzung schneller vor sich hin als mechanische Teile. Mit Nachhaltigkeit und schonendem Umgang mit Ressourcen hat das alles nichts zu tun.

So tut die DB auch alles dafür, dass man keinen genauen Einblick in die Aktivitäten ihren „Stillstandsmanagements“ bekommt, wie die Zahl der übernommenen, verkauften bzw. verschrotteten Einheiten. Denn für alles hat die DB eigene GmbHs (z.B. DB Broadband GmbH, DB Competition Claims GmbH, DB Dialog GmbH, DB Fahrwegdienste GmbH, DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH, DB Job Service GmbH, DB Kommunikationstechnik GmbH, DB Services GmbH, DB SEV GmbH, DB Sicherheit GmbH, DB Systemtechnik GmbH, DB Systel GmbH, DB Vertrieb GmbH, Deutsche Bahn International Operations GmbH, um nur einige zu nennen) gegründet, von denen man manchmal nicht weiß, was sich dahinter verbirgt. Für die Verwaltung/Verkauf/Verwertung von gebrauchtem Eisenbahnmaterial schweigt sich hingegen der knapp 300 seitige Integrierte Bericht des DB-Konzerns 2022 famos aus. Was hier passiert, ist durchaus ein Fall für den Rechnungshof.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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Ein Kommentar zu “rail blog 251 / Michael Jung”

  1. Lieber Michael,
    Dein ausgezeichneter Kommentar macht (nicht nur)mich nachdenklich.
    Bin zwar kein Jurist, aber ist esnicht strafbar, wenn man Anlagevermögen bewusst verkommen lässt? Muss nicht bei Abstellung/Nichtgebrauch von Anlagevermögen nicht mit dem aktuellen Bestandswert mit der „Entfernung“ oder Ausbuchung angegeben werden?
    Manche Loks bez. Wagen und sonstiges Eisenbahnmaterial wurde gebraucht verkauft. Da es sich um Volksvermögen handelt, Ist erst recht ein Fall für den Bundesrechnungshof, Finanzgericht oder Staatsanwalt?
    Mir war dies in diesem Falle gar nicht so bewusst!
    Gruß Andreas

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