rail blog 257 / Joachim Holstein

Kostenloses Auto und Bahn ohne Rabatte

Im Bonner »General-Anzeiger« ließ sich Mitte Dezember die Redakteurin Lydia Schauff über das Preisniveau der Deutschen Bahn aus. Schlagzeilenträchtiges Fazit ihrer Fahrkartensuche:

Da kann ich auch in die Türkei fliegen

Ihre – neudenglisch auch gern als »Rant« bezeichnete – Schimpfkanonade kommt in dem typischen Duktus von Texten daher, die sich mit einer teils leichten, teils deutlich erkennbaren Überzeichnung vielleicht dagegen absichern wollen, dass jemand einen Faktencheck macht und sagt »Moment mal, das stimmt aber nicht«.

Ich riskiere es trotzdem, denn der beim Vergleich zwischen Bahn und Auto angewendete Trick ist so allgegenwärtig, dass ich mich schon seit Jahren wundere, was eigentlich die Presseabteilung der Deutschen Bahn AG beruflich so macht. Leserbriefe oder »follow-ups«, also Nachfolgeartikel, in denen einiges klargestellt oder auf Alternativen aufmerksam gemacht wird, sind mir jedenfalls nicht begegnet.

Es geht im hier skizzierten Fall darum, von Bonn »rund 700 Kilometer in die Lausitz« zu fahren. Der genaue Zielort wird nicht genannt, also nehme ich der Einfachheit halber Cottbus an; der Routenplaner nennt drei Strecken mit 663 km, 688 km und 714 km Länge.

Bei der Zusammensetzung der Reisegruppe ist von »der Hund« und »die Kinder« (das Alter wird nicht genannt) die Rede, später allerdings nur von einer Fahrt »mit Kind«, also Singular. Ob ein oder zwei Erwachsene reisen wollen, geht aus dem Text nicht hervor.

Die Autorin nennt für die Reise die Preisspanne, die bei der DB angezeigt werde:

Je nach Uhrzeit und Tag zwischen 340 und 560 Euro.

Eine Fahrt in der 2. Klasse kostet für eine erwachsene Person zum Vollpreis in teuren Zügen rund 170 Euro: Flexpreis, voll stornierbar, mit ÖPNV in Bonn und Cottbus, ICE bis Berlin und RE nach Cottbus. Hin und zurück sind das also rund 340 Euro.

Nun erwähnt die Autorin, dass große Hunde – also solche, die nicht in einem Tragekörbchen auf dem Schoß transportiert werden können – mit 50 % des Preises dabei sind. Das ist korrekt. Macht 170 Euro.

Sie erwähnt als Nächstes, dass für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren auch »50 Prozent auf den Normalpreis« fällig werden, und zieht daraus die Konsequenz:

Bleibt der Hund eben zu Hause. Und die Kinder auch.

Dabei addiert die Autorin offenbar im Geiste pro Hund und Kind 170 Euro zu ihren eigenen 340 Euro. Sie wäre bei einem Hund und einem Kind auf 680 Euro, bei zwei Kindern auf 850 Euro gekommen.

An dieser Stelle wünscht man sich journalistische Sorgfalt, eventuell in Gestalt einer Chefredaktion, die die Autorin fragt: »Wie kommen Sie zu dieser Behauptung?« Denn:

Im Fernverkehr können Reisende ab 15 Jahren bis zu 4 Kinder im Alter bis 14 Jahre kostenfrei mitnehmen, ohne mit ihnen verwandt sein zu müssen.

50 Prozent bezahlen allein reisende Kinder vom 6. bis einen Tag vor dem 15. Geburtstag. Diese Tarifbestimmung kann man eigentlich kennen – und man sollte sie kennen, wenn man Artikel in seriösen Medien publiziert.

(Man kann sich, nebenbei gesagt, natürlich darüber wundern, dass eine Gruppe aus fünf Kindern im Alter von 6 bis 14 Jahren den Preis von 2,5 Erwachsenen entrichten muss, aber ab dem Tag, an dem das älteste dieser Kinder seinen 15. Geburtstag feiert, der Preis um 60 Prozent sinkt, weil das 15-jährige Kind zum Vollzahler mutiert, der die anderen vier kostenlos mitnehmen kann.)

Zurück zu den von der Autorin genannten Preisen. Sie kennt das Deutschlandticket und sagt: Ja, natürlich könnte man ohne ICE für 49 Euro fahren. Aber das dauere »bei sechs bis acht Umstiegen schlappe elf oder auch 16 Stunden«. Das kommt hin, und da könnte man sagen: Der Weg ist das Ziel.

Aber der Knaller steht zwischen Vollpreis und Deutschlandticket:

Bei einem Benziner mit 7,5-Liter-Verbrauch auf 100 Kilometern und bei 1,80 Euro Benzinpreis pro Liter würde die Fahrt in die Lausitz knapp 190 Euro für den Hin- und Rückweg kosten.

Ich habe Frau Schauff angeschrieben und gefragt, ob sie ein kostenlos ausgeliehenes Auto fährt, wenn sie nur den Sprit rechnet. Ich habe keine Antwort bekommen.

Ich hätte von ihr – oder vom General-Anzeiger – auch gerne gewusst, warum bei einem Artikel über das Bahnfahren weder die Nutzung einer BahnCard noch der Kauf von Sparpreisen in Betracht gezogen wurde.

Eine Probe-BahnCard 25 kostet 19,90 Euro und würde einen Fahrpreis von 340 Euro um 85 Euro auf 255 Euro verbilligen. Netto-Ersparnis also 65,10 Euro.

Eine Probe-BahnCard 50 kostet 76,90 Euro und würde einen Fahrpreis von 340 Euro um 170 Euro auf 170 Euro verbilligen. Netto-Ersparnis also 93,10 Euro.

Und das schon bei der ersten Fahrt innerhalb von drei Monaten Geltungsdauer. »Spart mehr als sie kostet« trifft hier also völlig zu. Warum ist das nicht auf dem Radarschirm einer Zeitungsredakteurin?

Man kann ihr auch den analogen Vergleich zu ihrer Milchmädchen-Autorechnung vorhalten: Wer eine BahnCard 100 besitzt (3 Monate 1.359 Euro, 1 Jahr 4.550 Euro), zahlt für die Fahrt in die Lausitz genau 0 Euro. Mit bis zu vier Kindern. Nur der Hund kostet extra.

Oder man nutzt eben die Sparpreise. Zwei Erwachsene, bis zu vier Kinder unter 14 Jahren plus ein Hund, hin und zurück: ab 124,50 Euro.

Das ist ein Drittel billiger als der Spritpreis des Autos. Als Bonus kann man im Zug sogar aufstehen, telefonieren, sich ins Restaurant setzen und – kostenlos – die sanitären Einrichtungen benutzen.

Das wäre doch mal was, oder?

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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