rail blog 36 / Joachim Holstein

Die Stockholm-Trilogie der DB

Ausblendung
»Prellbock Altona« bemängelte am 17.6.2022 bei DB Station&Service, dass der am 1.9.2022 startende Nachtzug EN 346 nach Stockholm nicht auf den gedruckten Abfahrtsplänen steht. Nachdem sich an den gedruckten Plänen nichts ändert und über dem Bahnsteig neben dem abfahrtbereiten Zug entweder der nächste ICE oder »Padborg« angezeigt wird, schrieb »Prellbock Altona« am 11.11.2022 erneut: »Ich empfinde das gegenüber dem Land Schweden (Mitglied der EU) und auch gegenüber den SJ einen unfairen und unschönen Akt. Ich werde mich mit dieser Sache auch an die schwedische Botschaft wenden.«

Noch am selben Tag antwortet der »Leiter Bahnhofsmanagement«: »Der NJ [sic] von und nach Stockholm sowie Autoreisezüge (außer der NJ nach Wien – Anmeldung über Jahresfahrplan) verkehren im Gelegenheitsverkehr. Züge, die im Gelegenheitsverkehr vertraglich bei DB Station&Service angemeldet werden, müssen auf einem separaten Aushang in den Stationen ausgehängt werden. An diese Auflagen sind wir gebunden. Die separaten Aushänge finden Sie an den Gleise 6, 11 und 12.«

Gelegenheitsverkehr? Bei einem täglich verkehrenden Zug? Die Betreiber dementieren energisch, den Zug so angemeldet zu haben. Wer soll es verboten haben, solche Züge auf den großen Tafeln und Plänen anzuzeigen? Und woher sollen die Reisenden überhaupt wissen, dass irgendwo Zettel hängen, auf denen Züge stehen, die nicht auf der Anzeigetafel erscheinen? »Prellbock Altona« stellte sich an manchen Abenden mit Plakaten auf den Bahnsteig, um den Weg zum Nachtzug zu weisen.

Auslassung
Bei der offiziellen Einweihung am 20.2.2023 mit dem schwedischen Botschafter, einem Vorstand der schwedischen Staatsbahn SJ und dem Hamburger Staatsrat für Mobilität und Verkehrswende in Anwesenheit von diversen Medien ist lange wieder keine bzw. eine falsche Anzeige über dem Bahnsteig zu sehen, ehe kurz vor Abfahrt doch noch auf »EN 346 Stockholm« umgeschaltet wird. Die SJ sagt auf Anfrage, man ärgere sich sehr über dieses Verhalten der DB und gehe das jetzt auf höchster Ebene an. Da Schweden derzeit den Ratsvorsitz der EU innehat …

Ausredenfindung
Vom 4. bis zum 18. März 2023 klemmt die DB halb Hamburg und ganz Altona vom Bahnverkehr ab, um nicht »unter dem rollenden Rad« oder mit kurzfristigen nächtlichen Sperrungen zu arbeiten. Verbindungen mit dem Norden beginnen und enden in Pinneberg. Aber – oh Wunder – die DB behauptet auf www.bahn.de noch am 2. März, dass in dieser Zeit als einziger Fernzug der Stockholmer Nachtzug von und nach Altona fahre.

»Prellbock Altona« schrieb also erneut an den Leiter Bahnhofsmanagement: »Ist der EN346 der einzige Zug, der in der Sperrzeit ab Altona fährt? Oder ist das ein „Fake“ von www.bahn.de???? Wie werden die Reisenden zum Abfahrtsort und zur Abfahrtszeit informiert?«

Der Leiter Bahnhofsmanagement antwortete: »Nach unserer Wahrnehmung ist der betroffene Zug erst kurzfristig in den Onlinemedien angepasst worden. Von daher gab es bis gestern diese Verwirrung. Wir haben nun die angehängte Fahrplantabelle erhalten. Es handelt sich also nicht um einen „Fake“ auf bahn.de, sondern einfach nur um eine verspätete Information des EVU.«

Hier wird es endgültig surreal. Da sperrt die DB ihren eigenen Bahnhof, löscht aber nicht den Zug eines anderen Betreibers, weil der sie zu spät darüber informiert hat, dass der Bahnhof auch für seinen Zug gesperrt ist? Seit wann ist ein EVU (Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen) für das verantwortlich, was die DB auf ihrem Streckennetz (DB Netz), in ihren Bahnhöfen (DB Station&Service) bzw. auf ihrer Website (DB Vertrieb) veranstaltet?

Vielleicht sollte man noch eine Gesellschaft gründen: DB Augiasstall.

(In Anlehnung an den schwedischen Titel des ersten Bandes der »Millennium-Trilogie« hätte dieser Blog auch heißen können: »Manager, die Nachtzüge hassen«)

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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