rail blog 48 / Joachim Holstein

Die Stockholm-Trilogie bekommt eine Fortsetzung

Kein Aprilscherz: der »Greta-Express« fährt seit dem 1. April von Berlin über Hamburg Hbf nach Stockholm, steht aber weder in Berlin noch in Hamburg auf dem Fahrplanaushang.

Als nach dem monatelangen Affront der DB gegen den seit dem 1.9.2022 zwischen Hamburg-Altona und Stockholm verkehrenden EN 345/346 sogar bei der offiziellen, nachgeholten Einweihungsfeier am 20.2.2023 (siehe Blog 19) zunächst die Anzeige des Zuges am Bahnsteig fehlte, schrieb ich an das Hamburger Bahnhofsmanagement der DB und an den bei der Feier anwesenden Staatsrat Martin Bill, dass ich hoffe, dieser Zug werde, wenn er ab dem 1.4. über Hamburg Hbf, einen nicht barrierefreien Bahnhof, verkehre, korrekt und überall angezeigt werden.

Eine vergebliche Hoffnung. (Mal abgesehen davon, dass auf die Mail nicht mal eine Eingangsbestätigung als Antwort kam.)

Der EN 346 ist auf den Fahrplanaushängen von Berlin Hbf, von Berlin Gesundbrunnen und Hamburg Hbf nicht zu finden; man kann diese Aushänge online abrufen: https://www.bahn.de/service/fahrplaene/fahrplaene_download

Man sieht den Zug nur auf den elektronischen Anzeigen. Von diesen ließ ich mich am Premierentag eine halbe Stunde vor Abfahrt auf Gleis 13 leiten, wo er angezeigt wurde, zwar erst kurz vor Abfahrt und ohne Wagenreihung, aber immerhin …

Und dann kam ein freundlicher Bahner vorbei: Ob ich zum Zug nach Stockholm wolle. Ja? Dann möge ich bitte zu Gleis 5 gehen, er werde von dort abfahren. Ich schaute verblüfft auf die elektronische Anzeige, wo immer noch groß »Stockholm« dranstand. Eine Lautsprecheransage war nicht erfolgt. »Deswegen bin ich ja hier«, sagte der Bahner und wies noch darauf hin, dass der kleine Text im Laufband »hält auch in Koebenhavns Lufthavn« um den Zusatz »heute von Gleis 5« erweitert worden sei. Aber wer schaut schon ein zweites, drittes, viertes … Mal auf dieses Laufband?

Ein Beispiel dafür, wie das Personal vor Ort mit Engagement die Fehler und Unzulänglichkeiten der Oberen ausbügeln muss.

An Gleis 5 stiegen etwa 40 Reisende ein. Zwei mussten leider wieder aussteigen: sie waren von Österreich auf dem Weg nach Kopenhagen, wurden aber am Chiemsee von einer Baustelle ausgebremst, und der Ersatzbus war nicht rechtzeitig in München angekommen, um den ICE nach Hamburg zu erreichen, mit dem sie den Spätzug nach Kopenhagen erwischt hätten. Also druckte man ihnen in München eine Fahrplanauskunft aus und drückte sie ihnen mit den Worten »das sind Ihre Züge, damit kommen Sie nach Kopenhagen« in die Hand. Der letzte dieser Züge war der EN 346 nach Stockholm.

Dass neben »EN 346« ein eingerahmtes »R« prangte, hatte das Münchner Personal ignoriert. R wie Reservierungspflicht. Und so standen die beiden jungen Schweden mit ihrem großen Gepäck im ausgebuchten Zug und mussten vom Zugbegleiter hören, dass er sie nicht mitnehmen könne: Hätte man gegen 12 Uhr von München aus per Internet eine Buchungsanfrage gestartet, wären vielleicht noch zwei Plätze freigewesen, aber so …

Ich begleitete die beiden zum kleinen Informationsschalter, da das Reisezentrum (Inschrift auf der Glastür: »24 Stunden am Tag für Sie am Zug«) schon um 20:15 Uhr geschlossen hatte. Dort erfuhren sie, dass alle Vertragshotels der DB ausgebucht seien, sie sich selbst eins suchen müssten und die Kosten dann per Fahrgastrechteformular geltend machen könnten. Im ausgebuchten Hostel gegenüber checkte man die »Kollegen« [sic] und sagte: »fast alle Hotels sind voll, da und da wäre noch was für 148 oder für 205 Euro«.

Die Schweden zückten das Handy, klickten auf eine App und buchten eine Minute später den nächtlichen Flixbus nach Kopenhagen. Ich drücke ihnen die Daumen, dass sie die rund 100 Euro dafür von der DB erstattet bekommen.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/neuer-nachtzug-startet-ab-berlin-der-holprige-start-des-stockholm-zuges-sj-snaelltaget-oebb-nightjet-li.333245

https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/nachtzug-nach-stockholm-chaos-auf-dem-bahnsteig-9620195.html

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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