rail blog 61 / Michael Jung

Mysteriöser Stromausfall bei der S-Bahn – Deutsche Bahn bleibt Erklärung
schuldig

Am Donnerstag, den 30.3.23 kam es in Folge einer angeblichen Störung einer 110kV-Hochspannungsleitung zu einem Stellwerksausfall in Altona und zu einem Stromausfall im gesamten Bahnhof Altona, auch in den Läden. Durch den Ausfall des Stellwerkes konnten die S-Bahnen weder auf der Verbindungsbahn, noch durch den City-Tunnel fahren. Durch die großflächige Störung zur Hauptverkehrszeit waren besonders Pendler betroffen. Stromnetz Hamburg sagt, es habe in seinem Netz keine Störung gegeben (so die gleichlautenden Meldungen in der Hamburger Lokalpresse). Zur Ursache des Stromausfalls ließ die DB nichts verlauten. Und von der Hamburger Politik: nur Schweigen. Leider scheinen auch die Medien das Interesse an dem Thema verloren zu haben und fragten auch an den Folgetagen nicht nach.

Stromausfälle im Bahnverkehr sind häufiger, als man gemeinhin glauben mag. Aber die DB kommuniziert die wirklichen Ursachen entweder gar nicht oder nur sehr spärlich.

Daher stellen sich aus Bürgerbahn Sicht folgende interessante Fragen, zumal keine zwei Tage später der Nachtzug aus Kopenhagen wegen einer angeblichen Oberleitungsstörung südlich von Flensburg an der deutsche-dänischen Grenze über 5 Stunden lang aufgehalten wurde:

  1. An welchem Standort gab es die Störung an der 110 kV-Leitung? In Hamburg gibt es viele 110kV-Leitungen. War dies eine dezidierte Bahnstromleitung?
  2. Wem gehört diese Leitung? Der DB, wie es in Zeitungsmeldungen heißt?
  3. Welcher Art war die Störung: Baggerarbeiten, Trafoausfall usw.?
  4. Wer ist für die Wartung und Instandhaltung dieser Leitung verantwortlich?
  5. Ein Stellwerk wird normalerweise nicht auf der 110kV-Ebene mit Strom versorgt, weil es keinen großen Stromverbrauch hat. War nur das S-Bahn-Stellwerk oder auch das Stellwerk für die Fern- und Regionalbahn betroffen?
  6. Warum hat das Stellwerk keine Notstromversorgung? Eine solche ist bei sicherheitsrelevanten Einrichtungen eigentlich üblich.
  7. Es ist verwunderlich, dass auch die Läden im Bahnhof Altona von dem Stromausfall betroffen waren. Normalweise werden Einkaufspassagen aus dem städtischen Netz versorgt. Welche Sonderrechte hat DB Energie AG, die für die Stromversorgung bei der Bahn verantwortlich ist, bei der Versorgung des Bahnhofs Altona?
  8. Normalerweise sind die Stromnetze in Deutschland redundant aufgebaut, sodass eine Störung an einer Stelle durch Umschaltung binnen Sekunden überbrückt werden kann, damit es nicht zu großflächigen Stromausfällen kommt. Wieso hat dies hier nicht funktioniert?

DB Energie AG wird als profitorientiertes Unternehmen im Rahmen des DB AG Konzerns geführt. Die Aufgabe von DB Energie sollte eigentlich sein, diskriminierungsfrei alle Bahnkunden, ob nun DB Regio, die S-Bahn, DB Fernverkehr, aber auch alle privaten / halbprivaten Personen- und Güterbahnunternehmen – davon gibt es zwischenzeitlich über hundert in Deutschland – mit Bahnstrom zu versorgen. Den Bahnstrom erzeugt DB Energie in bahneigenen Kraftwerken oder kauft den Strom aus dem Hochspannungsnetz der großen Stromversorger zu. Aber DB Energie hat sich in den letzten Jahren auch zu einem Stromhändler und Versorger von Industriebetrieben und Privathaushalten, die nichts mit der Bahn zu tun haben, entwickelt. DB Energie bezeichnet sich selbst als den fünftgrößten Stromversorger in Deutschland.

Wie der Stromausfall zeigt, wird offensichtlich bei DB Energie mit der gleichen Maxime gearbeitet wie bei DB-Netz. Gewinnmaximierung, und damit verbunden Maximierung der Gehälter der DB Energie-Vorstände und des oberen Managements, stehen im Vordergrund, nicht etwa die diskriminierungsfreie, sichere und preisgünstige Stromversorgung der Eisenbahnverkehrs-unternehmen (EVU).

Um diesen Missstand zu beseitigen, muss DB-Energie unbedingt Teil der gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft werden, die nach den Plänen der Bundesregierung zum 1.1.2024 ihren Betrieb aufnehmen soll. Dies wird aber von Bahnvorstand, dem FDP-geführten Verkehrsministerium und leider auch von der Gewerkschaft EVG hintertrieben. Aber eine Infrastrukturgesellschaft ohne Strom ist ein zahnloser Tiger, und ein schneller Ausbau der elektrifizierten Bahnstrecken wird deutlich erschwert, weil es dann eine umfassende Koordination mit DB Energie geben müsste und DB Energie über die Steuerung der Bahnstrompreise quasi Monopolrenditen einstreichen könnte. Dies ist nicht im Sinne einer beschleunigten Elektrifizierung der Bahn besonders im Zeichen des Klimawandels.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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