Die Transformation des Konzerns Deutsche Bahn AG
Man muss natürlich nicht alles verstehen, was im neuen Geschäftsbericht der Deutschen Bahn AG steht. So lesen wir auf Seite 160: „Portugal: Im Mai 2022 erzielte DB Arriva eine Vereinbarung mit dem israelischen Verkehrsunternehmen Dan Group über den Erwerb seines verbleibenden Busgeschäfts in Lissabon, Portugal. Die Transaktion wurde am 15. Dezember 2022 abgeschlossen.“ Die DEUTSCHE BAHN macht also in PORTUGAL einen Deal mit einem ISRAELISCHEN Unternehmen zu einem BUS-Geschäft in Lissabon …
Wobei es DB-Engagements gibt, die noch weiter weg vom Bereich Bahn sind. So heißt es im Bericht des Bundesrechnungshofs vom 15. März 2023 zur „Dauerkrise der Deutschen Bahn AG“ auf Seite 13, die Deutsche Bahn AG investiere „in die Entwicklung von Satellitennetzwerke und in Drohnenlandeplätze“. Das kann man vielleicht als Spinnerei abtun, obgleich der Bundesrechnungshof in diesem Zusammenhang feststellt, es hätten sich bei solchen Investitionen bereits „Risiken in Millionenhöhe realisiert.“
Um ganz andere Dimensionen geht es dann bei der folgenden Passage aus dem 2022er Geschäftsbericht der Deutschen Bahn AG, wie er Ende März vorgestellt wurde; dort auf den Seiten 164ff:
„USA Truck: Zum 15. September 2022 haben DB Schenker und USA Truck die Übernahme aller im Umlauf befindlichen Aktien von USA Truck durch DB Schenker vollzogen. […] Der Zusammenschluss unterstreicht das Ziel von DB Schenker und USA Truck, führender Anbieter von Transportlösungen in Nordamerika zu werden. DB Schenker wird die gemeinsame Marktposition im Bereich Landtransport in Nordamerika ausbauen.“ Der Deal kostete die DB 465 Millionen US-Dollar.
Uns, die wir die Fehlentwicklung der Deutschen Bahn seit geraumer Zeit verfolgen, fällt da gleich ein anderer Vorgang ein: Am 16. November 2005 wurde bekannt, dass die Deutsche Bahn AG das US-Unternehmen BAX Global zum Preis von 1,1 Milliarden US-Dollar erwarb. Das war der Groß-Deal im Ausland in der Ära von Bahnchef Hartmut Mehdorn – der im Übrigen vor seinem Global-Player-Ritt als Deutsche Bahn-Chef als Daimler-Vorstandsmitglied mitverantwortlich dafür war, dass Daimler in den USA Chrysler erwarb – und damit krachend scheiterte.
Dumm war dann nur, dass Mehdorn jetzt Vergleichbares bei der Deutschen Bahn AG anrichtete. Im Juli 2011 wurde bekannt, dass das Luftfrachtangebot der relativ neuen DB-Tochter Bax Global , welches bislang mit 20 Flugzeugen in Nordamerika und Mexiko betrieben wurde, eingestellt wurde. Der Frachtanteil von Bax Global wurde ab diesem Zeitpunkt auf dem Landweg transportiert. Im Mai 2020 wurde dann das ehemalige Bax Global-Geschäft nochmals geschrumpft. Beschönigend hieß es nun, Schenker werde sich in Nordamerika nun „auf kleine Kunden, die spezifische Transport-Lösungen suchten, konzentrieren.“ Das Bax-Global-Geschäft der DB war mit hohen Verlusten verbunden.
Doch nur zwei Jahre später steigt die Deutsche Bahn erneut ins Transportgeschäft in den USA ein – mit dem Erwerb der zitierten großen Lkw-Spedition US Truck. Dabei fallen drei Aspekte auf:
Erstens. Nirgendwo in den Berichten zu dieser Erwerbung wird das zitierte vorangegangene Geschäft der DB mit Bax Global erwähnt – was ja als eine wichtige Warnung zu verstehen ist.
Zweitens. Die Bundesregierung und Bundesverkehrsminister Wissing haben den Deal abgesegnet – und dies, obgleich es im Ampel-Koalitionsvertrag heißt, man wolle Schenker veräußern.
Drittens. Schenker engagiert sich im Lkw-Geschäft, das sich in den USA mehr als anderswo in direkter Konkurrenz zur Schiene befindet. Der Anteil des Schienengüterverkehrs am gesamten Transportvolumen ist in den USA mehr als doppelt so groß wie in Deutschland – und deutlich größer als der Anteil des Straßengüterverkehrs. Es handelt sich also um ein – von der Bundesregierung abgesegnetes – Engagement der DB-Tochter im Bereich des besonders klimaschädlichen Lkw-Transports.
Im Übrigen lag im vergangenen Jahr der Anteil von Schenker am gesamten DB-Umsatz bei 49 Prozent. Der Anteil der gesamten Auslandsgeschäfte, was im Wesentlichen außer Schenker noch derjenige der DB-Tochter Arriva ist, erreichte 2022 bereits 56 Prozent. Die Tabelle, die wir als Bürgerbahn dazu im neuen Alternativen Geschäftsbericht 2022 brachten und die wir unten nochmals einkopieren, unterstreicht, wie der Auslandsanteil am Gesamtumsatz des Bahnkonzern, weitgehend identisch mit dem Nicht-Schienenverkehrs-Anteil, von Jahr zu Jahr steigt. Der Konzern Deutsche Bahn AG erfährt so systematisch eine Transformation weg von Deutschland und weg von der Schiene.
Tabelle: Umsätze Inland – Ausland im DB-Konzern (jeweils Außenumsätze) im Millionen Euro und Anteile am Gesamtumsatz in den Jahren 2010, 2016-2022
DB-Segment | 2010 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 |
DB-Konzern | 33.152 | 40.576 | 42.704 | 44.024 | 44.431 | 39.902 | 47.250 | 56.300 |
Schenker | 14.310 | 15.059 | 16.345 | 17.050 | 17.091 | 17.671 | 23.443 | 27.605 |
Anteil Schenker am Gesamtumsatz | 43,2% | 37,1% | 38,3% | 38,7% | 38,5% | 44,3% | 49,6% | 49,0% |
Arriva | 1.046 | 5.085 | 5.338 | 5.441 | 5.410 | 3.990 | 4.069 | 4.214 |
Summe Schenker + Arriva | 15.356 | 20.144 | 21.683 | 22.491 | 22.501 | 21.661 | 27.512 | 31.819 |
Umsätze Schenker + Arriva als Anteil am Konzernumsatz | 46,1% | 49,6% | 50,8% | 51,1% | 50,6% | 54,3% | 58,2% | 56,5% |