rail blog 207 / Michael Jung

Die Sprache ist verräterisch

Die Deutsche Bahn hat jetzt auf politischen Druck hin das mehr oder minder verlustreiche Engagement bei Arriva, in der sie zahlreiche Beteiligungen an Nahverkehrsunternehmen im Bahn-, Bus- und Schiffsbereich im Ausland gebündelt hatte, verkauft. Über den Preis wird Stillschweigen bewahrt. Über die zusätzlichen Abschreibungen, die die DB vornehmen muss, weil sie einst Arriva zu überhöhten Preisen gekauft hatte, auch. Diese dürften in Milliardenhöhe liegen.


Leider hat die DB für den Erwerb kein seriöses Unternehmen, sondern nur einen windigen US-amerikanischen Hedgefonds gefunden, der in seinem Portfolio alle möglichen Infrastrukturbereiche von Logistik, Energieerzeugung bis Straßenbau, Abwassereinigung usw. hält, aber bisher mit Nahverkehr nichts zu tun hatte. Er wird Arriva sicher, wie das solche Fonds üblicherweise machen, nach Strich und Faden ausquetschen, ein Maximum an Geld heraussaugen und das strukturell und finanzielle geschwächte Unternehmen an einen anderen „strategischen Investor“ weiterverkaufen. Von der vollmundig beim Kauf verkündeten Strategie des Erwerbers,“ Arriva bei seinem zukünftigen Wachstum zu unterstützen“ wird nach Abschluss des Kaufvertrages und Übertragung der Assets nichts mehr übrigbleiben. Leidtragende dieser Strategie werden wie übliche bei solchen Transaktionen die Beschäftigten von Arriva, die Fahrgäste des Unternehmens und zum Teil auch die Auftraggeber, die Verkehrsleistungen an Arriva vergeben haben, sein.

Den Notverkauf von Arriva, welcher den ersten Schritt zum Rückzug von der bisherigen DB-Strategie „Global Player“ sein zu wollen, darstellt, bemäntelt der Finanzvorstand der DB Dr. Levin Holle wortreich so:

Das strategische Ziel der Deutschen Bahn ist es, Rekordinvestitionen in den umweltfreundlichen Schienenverkehr im deutschen Kerngeschäft zu tätigen. Damit verbunden ist eine massive Steigerung der Investitionen gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung in unsere Schieneninfrastruktur und unsere Züge. Somit steht der unterzeichnete Kaufvertrag im Sinne der Starken Schiene.“


Ob überhaupt ein einiger Euro aus dem Arriva-Verkauf wirklich in Infrastruktur-investitionen bei der DB landet, ist höchst zweifelhaft, eher werden damit aufgelaufene Verluste aus dem Arriva-Engagement abgedeckt. Der O-Ton der nachstehenden Pressemitteilung ist in seiner Verlogenheit schon entlarvend. Wann Arriva ausgelutscht dem nächsten Hedgefond zum Fraße vorgeworfen wird ist sicher nur eine Frage von wenigen Jahren. Besser wäre es gewesen, wenn die DB die Eisenbahnengagements von Arriva behalten hätte, um mit dieser Unternehmen in einen fairen Wettbewerb gegen die Eisenbahnunternehmen aus dem Ausland, die sich im deutschen Nahverkehrsmarkt tummeln, anzutreten.

Der Verkauf von Arriva an einen Hedgefonds ergibt sich relativ logisch aus dem bisherigen Werdegang von Herrn Holle: Vom Funktionär des CDU Studentenverbandes RCDS über die Unternehmensberatung Boston Consulting Group hin zum Abteilungsleiter im damals von Wolfgang Schäuble (CDU) geführtem Finanzministerium und dann mit Billigung von Verkehrsminister A. Scheuer (CSU) in den Vorstand der DB aufgerückt.

Michael Jung, Prellbock-Altona 19.10.23

Deutsche Bahn verkauft Arriva an Infrastruktur-Investor I Squared

Okt 19, 2023 | Personenverkehr

Die Deutsche Bahn AG (DB) und I Squared Capital, ein weltweit führender Infrastruktur-Investor, haben eine Vereinbarung über den Verkauf der Arriva Group und aller verbleibenden Arriva-Landesgesellschaften in zehn europäischen Märkten an I Squared unterzeichnet. Die Transaktion wird voraussichtlich im Jahr 2024 abgeschlossen, vorbehaltlich der üblichen Vollzugsbedingungen, einschließlich der Zustimmung des DB-Aufsichtsrats und des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr der Bundesrepublik Deutschland.

Im Zuge der Konzernstrategie Starke Schiene hat die Deutsche Bahn bereits deutlich gemacht, Arriva verkaufen zu wollen. Damit werden zusätzliches Wachstum im Schienenverkehr in Deutschland und mehr Investitionen im Kerngeschäft ermöglicht. Die Deutsche Bahn hatte das britische Unternehmen im Jahr 2010 erworben. In den vergangenen Jahren hat die Deutsche Bahn gemeinsam mit Arriva das Geschäft nach der Corona-Pandemie erfolgreich stabilisiert und eine auf die relevanten Märkte fokussierte, nachhaltige Wachstumsstrategie auf den Weg gebracht. Dazu zählt der Verkauf von Arrivas Geschäften in Nicht-Kernmärkten, darunter Schweden und Portugal im Jahr 2022 und Serbien, Dänemark und Polen (Bus) in diesem Jahr.

„Wir freuen uns, dass I Squared bereit ist, Arriva bei seinem zukünftigen Wachstum zu unterstützen. Das Unternehmen hat mit der fortschreitenden Marktliberalisierung in Europa gute Aussichten auf nachhaltiges Wachstum. Das strategische Ziel der Deutschen Bahn ist es, Rekordinvestitionen in den umweltfreundlichen Schienenverkehr im deutschen Kerngeschäft zu tätigen. Damit verbunden ist eine massive Steigerung der Investitionen gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung in unsere Schieneninfrastruktur und unsere Züge. Somit steht der unterzeichnete Kaufvertrag im Sinne der Starken Schiene. Gleichzeitig bringt der Verkauf an I Squared für Arriva neue Möglichkeiten zur Realisierung seines Wachstumspotenzials mit, etwa wenn es um die zukünftige Elektrifizierung der Flotten in Europa geht. Für die Deutsche Bahn wiederum ist dies ein wichtiger Schritt, den Fokus noch mehr auf das zukünftige Wachstum im Schienenverkehr in Deutschland zu legen.“

Dr. Levin Holle, Vorstand Finanzen & Logistik der Deutschen Bahn AG

I Squared verfügt über umfassende Erfahrung im Betrieb wichtiger Infrastrukturen auf der ganzen Welt. Dazu zählen Transport-, Logistik-, Energie-, Versorgungs- und digitale Infrastrukturen. Das Unternehmen verfolgt einen nachhaltigen Wachstumsansatz in seinem gesamten Portfolio und unterstützt Managements bei der Verbesserung der operativen Leistung. Zudem treibt I Squared mit Investitionen in kohlenstoffarme Infrastrukturen gezielt die Energiewende voran. In den Bereichen Transport und Logistik sowie bei Dekarbonisierungstechnologien ist das Unternehmen ein führender Investor. I Squared wendet bei seinen Investitionen erhebliche Kapitalmittel auf, um den Übergang von Unternehmen zu nachhaltigen, modernen öffentlichen Versorgungsbetrieben zu unterstützen. Zur Erfolgsbilanz von I Squared zählen die TIP Group, ein Spezialist für Frachtdienstleistungen, bei dem I Squared in großem Umfang in die Transformation der Flotte investiert hat, Aggreko, ein globales Unternehmen für Energielösungen mit Sitz in Glasgow, sowie die auf erneuerbare Energien spezialisierten Unternehmen Conrad Energy und Energia.

„Verkehr ist für rund ein Fünftel der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Drei Viertel davon entfallen auf den Straßenverkehr. Umweltfreundlichere, öffentliche Fortbewegungsmittel sind daher für den Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Infrastruktur von entscheidender Bedeutung“, sagte Gautam Bhandari, Global CIO und Managing Partner von I Squared. „Arrivas strategische Ziele von Netto-Null-Betrieb und Flotten-Dekarbonisierung passen genau zu unserem Fokus, Unternehmen weiterzuentwickeln, die die Energiewende beschleunigen. Mit unseren Investitionen in grünen öffentlichen Verkehr wollen wir für sauberere Luft in Ballungsräumen sorgen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Arriva und darauf, das künftige Wachstum des Unternehmens als Bus- und Bahnbetreiber zu unterstützen.“

„Wir wollen eine Zukunft, in der die Menschen ihr Auto zu Hause stehen lassen, eine Zukunft mit weniger Verkehrsstaus und sauberer Luft. Diese Transaktion läutet die nächste Phase für Arriva ein und unsere Mitarbeitenden, Fahrgäste sowie die vielen Verkehrsbehörden, mit denen wir in Europa partnerschaftlich zusammenarbeiten, werden davon enorm profitieren. Wir werden dadurch in der Lage sein, einen noch größeren Beitrag für eine bessere Zukunft zu leisten. I Squared hat eine etablierte Erfolgsbilanz bei der Unterstützung von Unternehmen, die wichtige Dienstleistungen erbringen, sowie bei Investitionen in die Energiewende. Wir freuen uns, dass I Squared sich verpflichtet hat, Arriva langfristiges Kapital für Investitionen in unser Geschäft und unsere Mitarbeitenden bereitzustellen. Wir sind zuversichtlich, dass Arriva und I Squared gemeinsam eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung innovativer und nachhaltiger öffentlicher Verkehrsangebote in ganz Europa spielen können.“

Mike Cooper, CEO von Arriva Group

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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