PM zum Aktionstag des Aktionsbündnisses Bahn-Bürgerinitiativen Deutschland – ABBD am 14.1.23

12.01.20223 Pressemitteilung
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Wir von Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene begrüßen den Aktionstag, wie er von den Freundinnen und Freunden von ABBD am 14.01.2023 durchgeführt wird.
Es ist der erste bundesweite Aktionstag von Bahninitiativen dieser Art. Und es wird nicht der letzte sein.

Dafür garantieren – leider! – die Deutsche Bahn AG und die Bundesregierung.
Der Bahnkonzern und die Ampel-Regierung, die die DB kontrolliert, betreiben im Bereich Schiene eine Politik

  • gegen die Interessen der Menschen vor Ort,
  • gegen die Bedürfnisse der Fahrgäste,
  • gegen die Forderungen der Bahnbeschäftigten und ihrer Gewerkschaften EVG und GDL,
  • gegen die Anforderungen an Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit.

Das soll mit dem Aktionstag in einem Dutzend Städten verdeutlicht werden – gewissermaßen an Brennpunkten dieser zerstörerischen Bahnpolitik, konkretisiert an drei Bereichen, verbunden jeweils mit einem Beispiel – konkret zu (1.) Höchstgeschwindigkeit, zu (2.) den zerstörerischen Großprojekten und zu (3.) dem Flatrate-Ticket im Nahverkehr.

  1. Höchstgeschwindigkeit

Obwohl mehr als 90 Prozent aller Fahrten im Schienenverkehr und mehr als 55 Prozent aller im Schienenverkehr zurückgelegten Kilometer im Nahverkehr stattfinden, konzentriert der Konzern Deutsche Bahn AG mehr als zwei Drittel aller Investitionen in den Bereich Fernverkehr und in Hochgeschwindigkeitsprojekte.

Während die Infrastruktur als Ganzes von Jahr zu Jahr maroder wird, was zu vielen Langsamfahrstellen und zu verlängerten Fahrtzeiten führt, setzt der Bahnkonzern auf klimapolitisch fragwürdige Höchstgeschwindigkeit.
So ist der im Herbst 2022 vorgestellte ICE 3 neo erneut auf Tempo 300 ausgelegt. Dabei hieß es vor zehn Jahren noch offiziell, zukünftig solle die Höchstgeschwindigkeit bei 250 km/h liegen. Tatsächlich macht die Abkehr von Höchstgeschwindigkeit in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland und angesichts der drohenden Klimakatastrophe Sinn.
Sich von Hochgeschwindigkeitsprojekten zu verabschieden, würde im Übrigen auch enorm Kosten sparen. Für uns als Bürgerbahn gilt der Grundsatz: Takt vor Tempo!

BEISPIEL: Neubaustrecke Wendlingen – Ulm. Im Dezember 2022 wurde die Neubaustrecke (Stuttgart-) Wendlingen – Ulm in Betrieb genommen. An diesem Beispiel kann man zentrale Fehlentwicklungen dokumentieren: Die Strecke ist deutlich überteuert. 4 Milliarden für 15 Minuten Zeitgewinn. Die zu bewältigenden Steigungen auf dieser Strecke sind wesentlich größer als im Fall der alten Bestandsstrecke über Geislingen, weswegen ICE 1 und ICE 2, einige TGV-Garnituren und alle Güterzüge dort gar nicht verkehren können.
Diese extremen Steigungen sind wiederum mit einem enorm hohen Energieverbrauch verbunden.
Wir haben nach der Öffnung der Strecke unsere umfassende Kritik geäußert.
Siehe HIER

2. Bahnzerstörerische Großprojekte

Die Deutsche Bahn AG fördert bahnzerstörerische Großprojekte, anstatt bestehende und gewachsene Strukturen zu optimieren. Beispielhaft dafür sind Stuttgart 21 (siehe unten) und die geplanten Projekte Fernbahntunnel Frankfurt und Zweite S-Bahn-Stammstrecke München, des Weiteren die neu geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecken Hannover-Bielefeld und Fulda-Würzburg.

Für uns gilt: Anstelle von einem guten Dutzend Großprojekten bedarf es hunderter kleinerer und mittelgroßer Optimierungsmaßnahmen mit Elektrifizierung, Beseitigung von Flaschenhälsen, der Reaktivierung von Gleisanschlüssen und Strecken und der Neueröffnung zuvor geschlossener Bahnhöfe.

In diesen Zusammenhang gehört natürlich auch der Fern -und Regionalbahnhof Hamburg-Altona. Weiterhin will die Deutsche Bahn und die Hamburger Politik einen kleinen Zusteige-Bahnhof am Diebsteich bauen und den wichtigen zweiten großen Hamburger Bahnhof im belebten Zentrum des Hamburger Westens abreißen.

3. Bahnpolitik für Fahrgäste und Bahnbeschäftigte – Flatrate Nahverkehr

Die Deutsche Bahn AG und die Bundesregierung propagieren in ihren regelmäßigen Sonntagsreden und Werktags-Presseerklärungen Schnickschnack wie die „digitale Schiene“, das „digitale Check-in oder einen „Ideen-Zug“, bei dem man „auf Knopfdruck aus Sitzen Stehplätze machen kann“ (Der Pendler ist begeistert, dass er dann als Sardine befördert wird!).1 Die Realität sieht jedoch aus wie folgt: Die Pünktlichkeitsquote liegt auf Rekordtief. In jeder Woche fallen mehr als tausende Züge komplett aus. In gefühlt jedem dritten ICE gibt es im Bordbistro keine warmen Getränke und Speisen. Die Meldung „umgekehrte Wagenreihung“ gilt bei Kabarettisten als Dauerbrenner.

Notwendig ist aus unserer Sicht eine grundsätzlich andere Bahnpolitik, eine Politik, bei der die Fahrgäste und die Bahnbeschäftigten im Zentrum stehen. Was auch bedeutet: deutlich mehr Bahnbeschäftigte im produktiven Bereich, in den Zügen, an den Schaltern, in den Bahnhöfen, arbeitnehmerfreundliche Schichtpläne, eine deutlich bessere Bezahlung der Bahnbeschäftigten im produktiven Bereich und einen Abbau des immer mehr aufgeblähten „Wasserkopfes“. Vor allem ist ein transparentes Tarifsystem auf einem sozial akzeptablen und klimafreundlichen Niveau notwendig. Eine große Chance stellt dabei die Flatrate im Nahverkehr dar.

Das Versagen bei der Nachfolge für das 9-Euro-Ticket.

Das 9-Euro-Ticket im Sommer 2022 war hinsichtlich der Nachfrage ein durchschlagender Erfolg. Deutlich wurde: Ein Flatrate-Ticket im Schienenverkehr könnte ein „Game-Changer“ werden und damit entscheidend sein für die notwendige Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Doch die Verantwortlichen in der Bundesregierung und bei der Bahn tun derzeit alles, diese Chance auf sechs Ebenen zu verspielen.
1., indem der Zeitpunkt der Einführung eines Nachfolgetickets immer weiter hinausgeschoben wird, nunmehr voraussichtlich auf den 1. April. Dadurch ist eine Halb-Jahres-Lücke zwischen dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets und dem „Nachfolge-Ticket“ entstanden.
2., indem ein Preis von 49 Euro gewählt wurde, der an der oberen Grenze dessen liegt, was im Sinne einer solchen Verkehrswende wirksam sein wird.
3., indem das 49-Euro-Ticket nicht dafür genutzt wird, den extremen Tarifwirrwarr im Nahverkehr komplett aufzulösen zugunsten von maximal zwei Flatrate-Tickets, eines für die Bundesebene und eines begrenzt auf einen Tarifverbund. Es bleibt beim extrem intransparenten bundesweiten Tarifsystem, was im Übrigen pro Jahr bis zu 2 Milliarden Euro Extra-Kosten verursacht.
4., indem die finanziellen Mittel zur Abdeckung dieses 49-Euro-Tickets, insbesondere die Unterstützung der Länder durch Bundesmittel, absolut unzureichend sind.
5., indem bis heute keine wirksamen Maßnahmen ergriffen werden, um die unterschiedlichen Verkehrsunternehmen durch den Ausbau der Flotten, die Verdichtung der Fahrpläne und durch die Optimierung der Infrastrukturen auf den zu erwartenden Ansturm von zusätzlichen Fahrgästen vorzubereiten.
6., indem es keine begleitenden Maßnahmen gibt, um diejenigen motorisierten Verkehrsarten, die das Klima besonders stark schädigen, zu begrenzen.
Es gibt keine Kerosinsteuer, dafür neue Rekorde an den Airports.
Es gibt keine Streichung der massiven Subventionen im Autoverkehr (u.a. keine Streichung der Steuervorteile für Dienstwagen) und vor allem keine bundesweiten Tempolimits 120-80-30.
Stattdessen gab es 2022 erneut eine Steigerung bei den Neuzulassungen von Pkw. Der Pkw-Bestand liegt Anfang 2023 auf Rekordniveau. Allein zwischen dem 1.1.2022 und dem 1.1.2023 stieg der Bestand um 500.000 Pkw auf aktuell knapp 49 Millionen Pkw !!!

Dazu Winfried Wolf: „Der heutige Aktionstag am 14. Januar 2023 unterstreicht: Die offizielle Politik in den Bereichen Verkehr allgemein und Bahn im Besonderen ist verkehrter Verkehr!
Dieser verkehrte Bahnverkehr findet seinen skandalträchtigen Höhepunkt im Projekt Stuttgart 21, wo inzwischen feststeht, dass hier mit mehr als 10 Milliarden Euro Steuergeldern nicht nur ein bestehender, gut funktionierender Bahnhof in seiner Kapazität um 40 Prozent reduziert wird.“


Wir benötigen eine echte Verkehrswende – im Interesse der Bahnbeschäftigten, der Fahrgäste, der Menschen vor Ort und – nicht zuletzt: des Klimas!

1 „Mit unserem Ideen Zug für den Metropolverkehr der Zukunft können wir die Kapazität um bis zu 40 Prozent erweitern. Der Innenraum [der Waggons] lässt sich auf Knopfdruck je nach Tageszeit und Fahrgastaufkommen anpassen.“ So die neue Chefin der DB-Nahverkehrstochter DB Regio, Evelyn Palla, im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. Dezember 2022.

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