Klatsche mit Doppelwumms durch den Bundesrechnungshof (BRH)
Als die Bürgerinitiative Prellbock-Altona im Herbst 2022 an den Präsidenten des BRH schrieb, dass die Verlagerung der Fern- und Regionalbahnhofs Altona nach Diebsteich angesichts völlig ungeklärter Bahnprojekte wie Ausbau der Güterumgehungsbahn, 2. Elbquerung, Verbindungsbahnentlastungstunnel, die alle massive Auswirkungen auf die Auslegung des Bahnhof Diebsteich haben würden, eine Verschwendung von Steuergeldern erster Güte darstellen würde, bekamen wir einen höflichen diplomatischen Antwortbrief, in dem man sich für unsere Hinweise bedankte. Dann wurde lapidar festgestellt: „Der BRH prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Dazu zählen auch die Ausgaben des Bundesverkehrsministeriums und des Eisenbahnbundesamtes für den Bau von Schienenwegen. [….] Ihre Informationen zur Verlegung des Bahnhofs Altona nach Hamburg-Diebsteich werden soweit möglich in die hiesigen Arbeiten einbezogen. […] Für Ihr Engagement und Ihr Interesse an der Kontrolle der öffentlichen Aufgaben danke ich.“
Am 15.3.2023 nun schlug der BRH in seinem „Bericht nach § 99 BHO (Bundeshaushaltsordnung) zur Dauerkrise der Deutschen Bahn AG“ zurück. Jetzt gibt es keine diplomatisch verklausulierten Sätze mehr. In ungewohnter Klarheit und Schärfe stellte der BRH in dem Bericht fest:
„Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMVV) hat nach Jahren der Untätigkeit gravierende strukturelle, finanzielle und betriebliche Probleme bei der Deutschen BAN AG (DB) anerkannt. Es hat jedoch keine ausreichenden Schritte eingeleitet, um die sich verschärfende Dauerkrise zu lösen. Es braucht grundlegende Reformen, damit das System Eisenbahn seine verkehrs- und klimapolitische Rolle erfüllen kann. Seit Jahren verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der DB AG und sinkt die Zuverlässigkeit im gesamten System Eisenbahn. Die DB AG ist ein Sanierungsfall. […] Das BMDV muss die Ursachen der Probleme – ohne Denkverbote – angehen. Leitgedanke muss der verfassungsrechtliche Gewährleistungsauftrag des Bundes insbesondere für das Schienennetz sein. [….] Die Konzernstruktur der DB AG ist auf den Prüfstand zu stellen, ihre Geschäftstätigkeiten sind neu auszurichten. Das BMDV muss die DB AG grundlegend reformieren und aktiv steuern.“
Wie das allerdings mit einem autofokussierten Verkehrsminister geschehen soll, lässt der Bericht leider offen.
Fast jeden Satz aus dem Bericht kann man unterschreiben, er bestätigt auf der ganzen Linie die seit Jahrzehnten geäußerte Kritik von Organisationen wie Bürgerbahn–Denkfabrik. So z.B. der Satz: „die eisenbahnpolitischen Ziele des Bundes sind inhaltlich nicht klar definiert, – „was für eine Bahn“ und „wieviel Bahn“ der Bund „zu welchen Kosten“ der Bund künftig haben möchte, ist ungeklärt. Ohne klare Ziele kann das BMDV weder steuern noch etwaige Fortschritte messen. […] Der Bund hinterfragt die integrierte Konzernstruktur der DB AG bisher nicht grundsätzlich. Angesichts der Problemlage dürfen Politik und BMDV diese Stellschrauben für bei den weiteren Überlegungen nicht weiter ignorieren. […] Ziel muss sein, das Bundesunternehmen DB AG so auszurichten, dass das System Eisenbahn als Ganzes profitiert. Die bisherige Organisation als integrierter Konzern hat die Dauerkrise der DB AG nicht verhindert. […]
Die Probleme der DB AG betreffen fast alle Geschäftsbereiche und umfassen operative, wirtschaftliche und strategische Themen. [….] Ganz offensichtlich hat der Bund über den Aufsichtsrat noch nicht erreicht, dass der Vorstand der DB AG sich auf das Lösen dieser Probleme fokussiert und entsprechende Prioritäten setzt. Vielmehr hat sich die Lage insbesondere seit dem Herbst 2021 deutlich weiter verschlechtert. Im Jahr 2022 stieg der Anteil der unpünktlichen Fernverkehrszüge im Jahresdurchschnitt auf 35% an, was einen Negativrekord darstellt. Über Monate war auch jeder zehnte Regionalverkehrszug der DB AG verspätet, im Güterverkehr häuften sich stehende Züge.“
Fast liest sich der Bericht so, als hätte ihn Bürgerbahn geschrieben. Die doppelte Klatsche des BRH erhält nicht nur der Vorstand der DB, sondern auch die Politik. Die von Bahn und Regierung lauthals verkündeten Ziele bezüglich des Bahnverkehrs werden – leider realistischerweise – als illusorisch eingestuft: „Wachstumsziele des Bundes außer Reichweite“, Fernverkehr: Wachstumsziel unrealistisch“, Schienengüterverkehr: Gemeinsame Anstrengung nötig“, Probleme von der Bundesregierung nicht angegangen“, Eisenbahnpolitische Ziele des Bundes weiterhin unklar“. Es ist unverständlich, dass das BMDV erst jetzt eine Bestandsaufnahme des Sanierungsstaus plant und Zwischenziele des Deutschlandtaktes festlegen will. Der Zielfahrplan des Deutschlandtaktes kann keine Gesamtstrategie des Bundes sein.“ Der Bund als Alleineigentümer hinterfragt die Konzernstruktur der DB AG nicht.“
So richtig die Aussagen in dem Bericht sind und so sehr sie in vielen Bereichen die Kritik von Bürgerbahn bestätigen, dürfen wir dennoch nicht die Kritik an der DB AG und der Verkehrspolitik des Bundes einstellen. Initiativen wie die von „Bürgerbahn-Denkfabrik“ sind jetzt mehr denn je gefragt, um daran mitzuwirken, dass der Bericht nicht in der Schublade verschwindet und nach gewissen Scheinreformen die alte Politik fortgesetzt wird. Auch darf der Bericht nicht zum Vorwand genommen werden, den Fernverkehr im Wettbewerb aufzustellen, was bei der FDP-Nähe des Präsidenten des BRH nicht auszuschließen ist.
Nach einer derartig vernichtenden Kritik eines Prüforgans müsste in einem normalen Wirtschaftsbetrieb der gesamte Vorstand und der Aufsichtsrat geschlossen abtreten und freiwillig auf seine Pensionsansprüche verzichten. Aber das ist leider nicht zu erwarten. „Bürgerbahn-Denkfabrik“ muss weiter Dampf machen.