Der neue Geschäftsbericht der Deutschen Bahn AG
Blickt man in den neuen Geschäftsbericht der Deutschen Bahn, dann fällt als Erstes der erstaunliche Sprung beim Umsatz von 47,2 auf nunmehr 56,3 Milliarden Euro auf. Positiv ist auch die Entwicklung bei Verlust beziehungsweise Gewinn. 2022 gab es erstmals seit 2019 wieder einen Gewinn; dies in Höhe von gut 900 Millionen Euro. Das hebt der Vorstand der DB natürlich positiv hervor. Gleichzeitig verweist er auf die deutlich gestiegenen Fahrgastzahlen. Das Letztere muss man sofort abhaken: Die Fahrgastzahlen lagen auch 2022 deutlich unter dem 2019er Niveau. Dennoch erreichte die Pünktlichkeitsquote ein Rekordtief. An die angestrebte Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 ist nicht einmal im Traum zu denken – womit die Klimaziele der Bundesregierung im Bereich Bahn abgeschrieben sind.
Bleiben wir also beim rein Betriebswirtschaftlichen. Vergleicht man hier den 2022er Gewinn mit dem jüngsten Bericht des Bundesrechnungshofs vom März 2023, in dem es heißt „Die Deutsche Bahn ist ein Sanierungsfall“, dann reibt man sich verwundert die Augen. Wer hat da nur Recht?
Wir sehen hier von der Problematik ab, wonach ein Begriff wie „Gewinn“ absurd ist bei einem Unternehmen, dessen Umsatz zu gut einem Drittel aus – berechtigten! – staatlichen Unterstützungszahlungen besteht. Und konstatieren drei entscheidende Dinge:
Erstens. Im angestammten Bereich Schiene macht die DB keinen Gewinn mehr. Die Verluste der drei Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVUs) DB Fernverkehr, DB Regio und DB Cargo sind ziemlich genau so hoch wie die Gewinne der drei Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen DB Netz, DB Station und Service und DB Energie.
Zweitens. Klammert man nun die Gewinne von DB Netz und DB Station und Service aus – beide sollen ab dem 1. Januar 2024 in eine neue Infrastrukturgesellschaft eingebracht werden, die nicht mehr per Gewinnabführungsvertrag mit der Holding verbunden ist – dann sind die Verluste des DB Konzerns im Bereich Schiene erheblich und auf Dauer existenzgefährdend. Vor allem der Schienengüterverkehr (DB Cargo) schreibt tiefrote Zahlen – und dies seit vielen Jahren.
Drittens. Es bleiben die Gewinne, die im Ausland getätigt werden – wobei dies im Wesentlichen nur noch die Gewinne von Schenker sind. Diese sind mit 1,8 Milliarden Euro enorm. Doch dies sind Gewinne mit Seefracht, Luftfracht, Spedition, Lkw-Verkehr – alles Bereiche, die mit Schiene nichts zu tun haben und teilweise in Konkurrenz zum Schienenverkehr stehen.
Offiziell heißt es auch heute noch: Schenker wird verkauft. Das wäre sinnvoll. Und der erwartete Erlös – bis zu 20 Milliarden Euro – könnte dazu dienen, das Schienennetz zu sanieren. Fraglich ist jedoch, ob es dabei bleibt. Der Bundesverkehrsminister und nicht zuletzt die DB-Vorstände spielen viel lieber Global Players, anstatt Interesse an den Tiefen der Ebene, am Schienenverkehr, zu zeigen.
Damit gibt es zwei Möglichkeiten: Es bleibt bei der Gesamtstruktur des DB-Konzerns – unter anderem mit Schenker; dann begründet mit „Wir brauchen die Gewinne im Ausland, um im Inland ENDLICH das Schienennetz zu sanieren.“ Dann entwickelt sich der Konzern weiter auf der schiefen Ebene hin zum Global Player und weg von der Schiene. 2022 machte der Umsatz im Ausland bereits 56 Prozent des Gesamtumsatzes aus!
Oder die DB trennt sich wirklich von den Auslandsbeteiligungen. Das böte die Chance für einen Neuanfang. Dazu müsste als erstes eine schonungslose Bilanz gezogen und ein Neuanfang im Schienenverkehr – ohne Großprojekte, bei Konzentration auf Beseitigung der Engpässe usw. – vorgenommen werden. Auf dieser Basis macht es dann auch Sinn, dass die Bundesmittel für die Schiene deutlich erhöht werden. Das sind dann Investitionen in die Zukunft und für Klimaschutz.
Doch einen solchen Neuanfang kann es nur mit neuem Personal ganz oben geben. So lautet auch die Überschrift beim neuen Alternativen Geschäftsbericht Deutsche Bahn, der am kommenden Mittwoch vorgestellt wird: „Die Deutsche Bahn neu aufgleisen!“