Die Performance der Deutschen Bahn im grenzüberschreitenden Bahnverkehr – einfach nur peinlich
Dieser Tage hatte ich mal wieder ein typisches Bahnfahrerlebnis, welches aufs anschaulichste illustrierte, in welchem schlechten Zustand sich das Unternehmen Deutsche Bahn AG befindet.
Die Bahnfahrt sollte an einem Montagmittag 21.8.23 von Ostende Belgien nach Hamburg-Altona gehen. Ganz normales Sommerwetter, nicht zu heiß, keine Unwetter, eigentlich optimales Bahnwetter. Ankunft des Zuges aus der Gegenrichtung am Kopfbahnhof Ostende ca. eine halbe Stunde vor Abfahrt. Der Zug der SNCB besteht aus sieben modernen Doppelstockwagen aus der Fertigung von Bombardier/Alstom und drei eingereihten älteren klassischen Reisezugwagen, aus denen ein Teil der Sitze für Fahrräder entfernt wurden. Bespannung mit einer Siemens Lokomotive. Gefahren wird im Wendezugverkehr. Abfahrt des Zuges IC 512 in Richtung Eupen in Ostende 12.42 pünktlich. Kurz nachdem ich im Zug Platz genommen hatten, Information über die DB App, dass der Anschlusszug ICE17 ab Brüssel Midi nach Köln (Frankfurt/M.) ersatzlos ausfallen würde. Fahrtempfehlung: Im belgischen IC Zug bleiben bis Welkenraedt und dann weiter mit dem Nahverkehr nach Aachen. Allein diese Information der DB war schon falsch, weil der Umstieg eine Station vorher in Verviers Central bahnsteiggleich möglich gewesen wäre, wohingegen in Welkenraedt ein Bahnsteigwechsel über steile Treppen ohne Aufzug notwendig ist.
Der grenzüberschreitende Nahverkehr von Aachen nach Vervier ist eine Beleidigung für ein geeintes Europa. Dieser wird mit uralten, museumsreifen, unklimatisierten Elektrotriebwagen aus den frühen 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts gefahren, die früher einmal im Brüsseler Vorortverkehr eingesetzt wurden und jetzt dort den Rest ihres Lebens fristen dürfen. Einfach nur peinlich im 21. Jahrhundert. Leider ist es aber so, dass diese Uraltteile mit ihrer geräuschvollen Schaltschützensteuerung wenigstens funktionieren.
Anschluss dann in Aachen mit dem RE1 Richtung Dortmund um 16.22 nach Düsseldorf. Aber da kam schon die Meldung, das Stellwerk in Düsseldorf-Bilk sei wegen fehlenden Personals von 15.00-20.00 Uhr nicht besetzt, daher müsse der Halt des RE 1 in Düsseldorf Hbf. leider ausfallen. Also dort war der Anschlusszug nach Hamburg nicht zu erreichen. Deshalb Umstieg in Mönchengladbach in den RE42 Richtung Gelsenkirchen bis nach Duisburg Hbf. Ganz nebenbei: Mönchengladbach ist ein außerordentlich versiffter Bahnhof. Der Aufzug funktionierte nicht. Die Fahrt mit dem RE42 nach Duisburg war soweit OK, bis kurz vor Duisburg, dort 10 Minuten Warten auf die Einfahrt nach Duisburg Hbf. Dort die nächste Überraschung: der in Aachen noch genannte Anschlusszug IC2400 nach Hamburg-Altona, Abfahrt 18.29 fällt ersatzlos aus. Als Grund wurde eine Reparatur am Fahrzeug angegeben. Ansonsten keine Hinweise auf irgendwelche Alternativen.
Am DB-Info-Point wurde dann gesagt: Nehmen Sie den EC8 aus Zürich nach Hamburg-Altona, planmäßige Abfahrt 18.02, der hat ohnehin 25 Minuten Verspätung. Wegen Bauarbeiten am Bahnhof Duisburg war aber unklar, auf welchem Gleis der Zug fahren würde. Um 18.30 schließlich die Auskunft: Der EC 8 kommt um 18.42 mit entsprechender Gleisangabe. Auf dem Bahnsteig, auf dem der Zug abfuhr, war der Aufzug defekt und es gab keine Rolltreppe! Von wegen Barrierefreiheit! Dieser Zug war nach Ausfall des vorauslaufenden IC2400 erwartungsgemäß recht voll, hatte aber wenigsten einen anständigen Schweizer Speisewagen, das kennt man bei der DB zwischenzeitlich auch nicht mehr. Der Zug baute dann nicht unerwartet bis Hamburg-Altona eine Verspätung von fast einer Stunde auf. Am Ende waren es dann 58 Minuten, sodass die DB um eine Fahrtkostenerstattung herumkommt.
Hätte man nicht die Variante mit viermaligen Umsteigen im Nahverkehr genommen, sondern in Brüssel auf den nächsten ICE um 18.25 ab Brüssel Midi nach Köln gewartet, wäre man in Hamburg nicht vor 3.22 Uhr am Folgetag angekommen. Ganz nebenbei: Vor 40 Jahren kam man mit einmal Umsteigen entweder in Dortmund oder in Köln problemlos von Hamburg nach Ostende!
Fazit: Auf der Kernstrecke des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs zwischen Frankfurt und Brüssel fallen die Mehrsystemzüge der DB überraschend häufig aus. Vermutlich sind sie in die Jahre gekommen, und es gibt zu wenig Reservefahrzeuge. Es ist unverständlich, wieso auf der nachfragestarken Strecke die DB das Angebot nicht auf einen ein Stunden-Takt verdichtet wird. Die Besetzung der Züge liegt derzeit bei rd. 90%. Die parallel fahrenden Züge von Köln über Brüssel nach Paris des Unternehmens Thalys sind keine Alternative. Zum einen haben sie eine Reservierungspflicht, ein eigenes Ticketsystem, welches die deutsche Bahncard nicht honoriert, und zum anderen sind sie unkomfortabel, sodass alle Reisenden, die ein wenig Flexibilität wünschen, auf die DB Züge ausweichen, die daher gut ausgelastet sind. Sie werden von dem Tochterunternehmen ICE International gefahren und tragen neben dem Logo der DB auch das Logo der niederländischen Eisenbahngesellschaft NS.
Gleiche Probleme gibt es auf der Strecke nach Amsterdam. Die Unfähigkeit der DB, auf dieser wichtigen grenzüberschreitenden Strecke einen stabilen Verkehr hinzubekommen, ist schon erschreckend. Aber noch trauriger ist das Bild im grenzüberschreitenden Nahverkehr. Die zwei Strecken nach Belgien (nach Spa und nach Verviers) werden mit uraltem Material befahren und zwischen den beiden Großstädten Maastricht in den Niederlanden und Aachen gibt es überhaupt keine direkte Zugverbindung! Gleiches gilt für eine direkte Zugverbindung zwischen Deutschland und der zweitgrößte belgischen Stadt Antwerpen mit dem zweitgrößten europäischen Hafen! Und das im 66. Jahr der Unterzeichnung der römischen Verträge….