„Bahnhöfe der Deutschen Bahn –
Die Verwahrlosung nimmt zu…“

22.06.2023 -Pressemitteilung Bürgerbahn-Denkfabrik für eine starke Schiene

Mit ihrer Pressemitteilung „Bauen an Personenbahnhöfen“ vom 20.06.2023 versucht die Deutsche Bahn, der zunehmenden Kritik an den schmuddeligen und zum Teil offen verwahrlosten Bahnhöfen und Haltepunkten entgegenzutreten. Vollmundig wird erklärt, dass bis zum Jahr 2030 ein Drittel aller 5.700 Bahnhöfe saniert werden soll, davon werden allerdings nur 5.400 von Zügen der DB angefahren, und nur 900 sind einschließlich der Gebäude im Besitz der Deutschen Bahn.

3.800 Bahnhöfe werden also weiter vor sich hingammeln, weil sie von der dafür verantwortlichen DB Station&Service vernachlässigt werden. Das sind vor allem die Bahnhöfe und Haltepunkte, an denen DB Station&Service als einer der größten deutschen Gewerbeimmobilien-Vermieter kein ökonomisches Interesse hat, weil sich dort keine Imbissstände und Läden gewinnbringend vermieten lassen.

Das Grundübel, warum die Bahnhöfe in Deutschland so aussehen wie sie aussehen: Im Rahmen der einstmals für 2008 geplanten Bahnprivatisierung hat die DB nahezu alle kleineren und auch historisch wertvollen Bahnhofsgebäude an Finanzinvestoren verkauft. DB Station&Service hingegen hat sich dann nur noch auf eine Minimalausstattung der Bahnsteige konzentriert.

Alles Drumherum ließ man weiter vergammeln und machte es durch die Weigerung, den Kommunen bahneigene Grundstücke für Park&Ride-Anlagen zu verkaufen, diesen häufig noch zusätzlich schwer, das Bahnhofsumfeld angemessen zu entwickeln. Solche fehlgeschlagenen, abgebrochenen, unvollendeten Bahnhofssanierungsprojekte finden sich in allen Regionen in Deutschland, aber besonders im ländlichen Raum und in strukturschwachen Gebieten. Denn dort haben die Kommunen teilweise nicht das Geld, um das fehlende Engagement der Bahn mit eigenen Mitteln auszugleichen. Selbst an großen Bahnhofsstandorten wurde zwar nicht gleich der ganze Bahnhof, aber profitable Einzelsegmente davon an internationale Hedgefonds und Immobilienspekulanten verkauft.

So gehört im Hamburg die denkmalgeschützte Wandelhalle des Hauptbahnhofs einem Investmentfonds, und in Altona gab es sogar zwei unterschiedliche Finanzinvestoren, die Teile des Bahnhofes besaßen. Hier allerdings musste die Stadt auf öffentlichen Druck hin von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen und die verkauften Gebäudeteile wieder zurückkaufen. Die zersplitterte Eigentümerstruktur an den Bahnhofsgebäuden, Bahnanlagen und – was genauso schwer wiegt – an den Gleisanlagen, die der DB Netz AG gehören, erschwert eine gesamthafte Entwicklung der Bahnhöfe als Verknüpfungspunkte der verschiedenen Verkehrsmittel und der Nutzer: Bahn, Bus, Radfahrer, Fußgänger und Autofahrer.

Koordinationsprobleme bestehen auch innerhalb des DB-Konzerns. So ist DB Station&Service für die Beseitigung des Mülls auf den Bahnsteigen verantwortlich, DB Netz hingegen für die Entfernung des Mülls aus dem Gleisbett. Darum sehen die Gleisanlagen besonderes im Umfeld größerer Bahnhöfe oft aus wie eine Müllkippe.

Anstatt vollmundige Generalsanierungspläne anzukündigen, muss sich die DB erst einmal um die grundlegendsten Dinge kümmern, die das Wohlbefinden der Reisenden betreffen, denn genau wie am Prunkbau Berlin Hbf fehlt es auch in den sanierten großen Bahnhöfen überall an witterungsgeschützten Aufenthaltsräumen ohne Konsumzwang, an einer ausreichenden Anzahl bequemer Sitzgelegenheiten, an kostenlosen Toiletten, Gepäckschließfächern und so weiter.

Bürgerbahn-Denkfabrik für eine starke Schiene fordert daher:

  1. Sofortige Grundreinigung und danach folgend systematische und hochfrequente regelmäßige Reinigung aller Bestandsbahnhöfe, nicht nur der Bahnsteige und Verkehrswege, sondern auch der Gleisanlagen.
  2. Sofortige und systematische Ausführung von Routinewartungsarbeiten und Kleinreparaturen, d.h. Austausch/ Reparatur defekter Beleuchtungskörper, Rolltreppen, loser Gehwegplatten, defekter Anzeigetafeln usw.
    Es kann nicht sein, dass erst eine Mindestzahl von Glühbirnen kaputt sein muss, bevor diese dann ausgetauscht werden.
  3. Fahrgastfreundliche Ausstattung aller Bahnhöfe und Haltepunkte mit Informationstafeln, witterungsgeschützten und beheizten Unterständen, bequemem Sitzmobiliar, ausreichend langen Bahnsteigdächern, versehen mit Photovoltaikanlagen, Toilettenanlagen, ausreichenden Radabstellmöglichkeiten und Park&Ride Plätzen, usw.
  4. Offenlegung der Besitzverhältnisse an allen Bahnhöfen. Für jeden Bahnhof Schaffung eines sog. „Runden Tisches“, an dem die jeweiligen „Stakeholder“ DB Netz, DB Station&Service, DB Energie, die Kommunen und privaten Eigentümer zusammenkommen und einen verbindlichen Bahnhofsentwicklungsplan ausarbeiten, der binnen 5 Jahren umzusetzen ist.
  5. Überführung von DB Netz, DB Station&Service, DB Energie in eine gemeinnützige Infrastrukturgesellschaft, die als Anstalt öffentlichen Rechts dem Gemeinwohl und den Fahrgästen, aber nicht dem Profitprinzip verpflichtet ist.

Dazu Klaus Gietinger -Pressesprecher von Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene:
„Die Bahnhöfe müssen wieder die Visitenkarte für die jeweilige Gemeinde werden, sie müssen Anreiz zum Bahnfahren geben und dürfen nicht zur Schmuddelecke verkommen, wo jeder nur so schnell wie möglich wegwill oder erst gar nicht hingeht. Die Entwicklung der jeweiligen Bahnstation muss Schwerpunkt für die Stadtentwicklung und die Umsetzung der Verkehrswende werden. Hier müssen Bahn und die Kommunen eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.“


22.06.2023-Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene
Mitglieder bei Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene u.a. sind: Tom Adler (Stuttgart) / Prof. Karl-Dieter Bodack (Gröbenzell) / Ernst Delle (Schorndorf) / Dr. Christoph Engelhardt (München) / Klaus Gietinger (Saarbrücken) / Dipl.-Ing. Eberhard Happe (Celle) / Johannes Hauber (Mannheim) / Prof. Wolfgang Hesse (München) / Joachim Holstein (Hamburg) / Michael Jung (Hamburg) / Andreas Kegreiß (Herrenberg) / Andreas Kleber (Schorndorf) / Ernst-Günter Lichte (Hamburg)  /Prof. Heiner Monheim (Stendorf) / Roland Morlock (Esslingen) / Andreas Müller-Goldenstedt (Hamburg) / Prof. Helge Peukert (Siegen) / Markus Schmidt (Limburg)


Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schienehttps://buergerbahn-denkfabrik.org wird unterstützt von den folgenden Bahn-Initiativen: Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 / Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof Lindau / Prellbock Altona e.V.
V.i.S.d.P.: Andreas Müller-Goldenstedt, Büro „Prellbock Altona“, Nernstweg 32 – 22765 Hamburg   – info@buergerbahn-denkfabrik.com ++49 1781806932

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