Wie ich zur Bahn kam – und wie mich die DB aus der Bahn warf
Zum Abschluss der ersten Woche dieses rail-blogs bin ich als »Nachteule« dran, und da wir alle gebeten wurden, am Anfang auch etwas Persönliches zu schreiben, berichte ich am besten, wie ich zur Bahn gekommen bin.
Wie so viele (Jungs) fand ich im Grundschulalter zu Weihnachten eine Modelleisenbahn im Keller vor und ließ dann unter anderem eine V 200 mit einem Schlaf-, einem Liege- und einem Gepäckwagen über die Platte rauschen. Als ich zum Studium von Heilbronn nach Hamburg zog, gab es da noch drei Direktverbindungen pro Tag, eine davon ein Nachtzug. Den habe ich sehr häufig genutzt und sah zu, dass ich in Hamburg-Altona als erster einstieg, um mir ein Sitzwagenabteil ohne Reservierung zu schnappen, aus den sechs Polstersitzen eine durchgehende Liegefläche zu bauen und die Vorhänge zuzuziehen – in der Hoffnung, dass an den weiteren Halten niemand ausgerechnet in dieses Abteil kommen wolle.
Zu Schülerzeiten hatte mich ein solcher Zug auch schon mal unfreiwillig nach Norden gebracht, als ich von einem Abendspiel des VfB Stuttgart die 53 km zurück nach Heilbronn fahren wollte, irgendwo nach Bietigheim-Bissingen kurz mal die Augen zumachte und in Bebra wieder aufwachte …
Nach einigen Reisen mit Interrail und »Euro-Domino« (dem Vorläufer des »Interrail One Country Pass«) fand ich 1995, gegen Ende meines Studiums, auf der Suche nach einem neuen Studentenjob beim Arbeitsamt eine Notiz: »Nachtsteward, Hamburg 50, Kennbuchstabe M«. M stand für Mitropa. Begrüßt wurden wir Neuen vom Betriebsratsvorsitzenden, der uns erzählte, dass er als junger Student als Liegewagenschaffner angefangen habe, eigentlich nur drei Monate bleiben wollte und jetzt demnächst in Rente gehe. Das hätte ich auch beinahe geschafft, aber die Deutsche Bahn und die Politik hatten was dagegen und strichen bis Ende 2016 alle Nacht- und Autozüge. Da war ich schon zehn Jahre Betriebsrat, war Sprecher des Wirtschaftsausschusses, kämpfte mit vielen Kolleginnen und Kollegen gegen die Stilllegungen und lernte dabei auch die Aktiven von »Bürgerbahn statt Börsenbahn« kennen. 2014 demonstrierten wir auf dem Potsdamer Platz und saßen in der Bundespressekonferenz, 2015 und 2017 war ich von der Linksfraktion bei zwei Anhörungen des Verkehrsausschusses des Bundestages als Sachverständiger benannt worden, 2015 entstand auch das europäische Netzwerk »Back on Track« zur Förderung der Nachtzüge. Die großen Medien stiegen erst spät in das Thema ein, porträtierten aber die jeweils letzte Fahrt als Nachtsteward bei der DB (SPIEGEL: »Holstein steigt aus«; ZEIT: »Pavlik macht Schluss«).
Nachtzüge gibt es aber immer noch, und es werden wieder mehr. Denn die Nachbarländer haben entweder nie Schluss gemacht mit ihren Nachtzügen oder sind wieder eingestiegen.
Davon demnächst mehr …
https://www.zeit.de/2016/52/nachtzug-schlafwagen-deutsche-bahn-abschaffung-abschiedstour