Die Misere der Bahn hat Verantwortliche

von Winfried Wolf

Eine Ansprache an die Herren Volker Wissing, Michael Theurer, Winfried Kretschmann, Winfried Hermann und Heinz Dürr

Rede auf der Montagsdemo gegen Stuttgart 21 vom 31. Oktober 2022

Hier der Mitschnitt der Rede auf youtube ab Min. 40

Die Misere der Bahn wird an jedem Tag neu demonstriert. Ausgefallene Züge. Eine Pünktlichkeitsquote auf Rekordtief. Ein immer größerer Rückstau bei den Schienenwege-Investitionen. Das tragische Bahnunglück in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen. Es gibt 250.000 fehlerhaften Schwellen, die ausgewechselt werden müssen. Die Zahl der Langsamfahrstellen wurde drastisch erhöht, damit es nicht zu weiteren Unfällen kommt. Eine Brandschutzübung vor einer Woche auf der Neubastrecke Wendlingen-Ulm demonstrierte: die Tunnelbauten sind brandgefährlich.

Es stellt sich die Frage: Ist das alles unabwendbar? Ergebnis eines freien Verkehrsmarktes?

Die Antwort lautet eindeutig NEIN!

Die Verantwortung für dieses klimafeindliche Desaster liegt bei konkreten Institutionen und bei konkreten Personen. Ich will mich hier nicht bei den früheren Bahnchefs Heinz Dürr, Hartmut Mehdorn und Rüdiger Grube aufhalten, die alle von Daimler kamen. Auch ist die Riege der abgehalfterten Verkehrsminister Wissmann, Tiefensee, Ramsauer, Dobrindt und Scheuer inzwischen Geschichte.

Es geht um das Hier und Jetzt. Um die jeweiligen Top-Leute im Verkehrsministerium, an der Bahnspitze und in der Regierung von „The Länd“.

Sprechen wir die Herren also direkt an.

Sehr geehrter Herr Volker Wissing! Sehr geehrter Herr Berthold Huber,

Sie beide sind für den Gesamtzustand des Bahnnetzes verantwortlich – Sie, Herr Wissing in der Bundesregierung, gestützt auf Artikel 87e des Grundgesetzes, wonach der Bund bei „Ausbau und Erhalt des Schienennetzes“ das „Wohl der Allgemeinheit“ verfolgen muss. Und Sie Herr Huber als Infrastrukturvorstand der DB AG.

Sie beide stellten im September das Projekt einer Generalsanierung des Netzes, genauer von „sieben bis acht Korridoren“ des Schienennetzes vor. Ein Projekt, das sich über mehr als drei Jahre hinziehen wird, bei dem jeweils ein großer „Korridor“ des Netzes für fünf bis sechs Monate komplett gesperrt werden soll – als erstes die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Zur bisherigen Netzinstandhaltung bei laufendem Betrieb – mit Sperrung von einem von zwei Gleisen und vielfachem Nachtarbeitseinsatz – sagten Sie, Herr Huber: „Wir kommen aus einem konventionellen Betrieb, wir nennen das Bauen unter dem rollenden Rad. Das führt dazu, dass wir häppchenweise bauen, quasi mit dem Esslöffel, statt industriell.“1

Und Sie, Herr Wissing, äußerten nochmals deutlicher: „Die bisherige Baustrategie ist gescheitert. Das Ziel hieß immer: Sanieren unter dem rollenden Rad.[…] Die Folge: Es war immer etwas kaputt. […] Es wurden immer mehr Baustellen. […] So kann die Modernisierung des Netzes nicht gelingen.“2

Das ist schlichtweg falsch. Diese neue Art Generalsanierung ist ein teurer und gefährlicher Irrweg. Sie, Herr Huber, sind nun seit einem guten Vierteljahrhundert bei der DB beschäftigt. Seit mehr als einem Jahrzehnt nehmen sie im Konzern verantwortliche Top-Positionen ein. Doch Sie sagen da – ohne erkennbar rot zu werden – schlicht, dass Sie und Ihre Teams im Top-Management der Deutschen Bahn AG jahrzehntelang Unsinn gemacht hätten.

Wir von „Bürgerbahn“ fragten Profis. Ich fragte in Wien den Verkehrsprofessor Hermann Knoflacher. Seine Antwort: Diese „neue“ Art der Bahnsanierung mit kompletten Streckensperrungen sei grundfalsch; die bisherige Praxis habe sich über mehr als hundert Jahre hinweg bewährt. Prof. Karl-Dieter Bodack aus Gröbenzell bei München, viele Jahre bei der Bahn in Führungspositionen beschäftigt, unterstreicht Knoflachers Einschätzung und ergänzt: Die verschiedenen Elemente einer Strecke – Weichen, Gleise, Signalanlagen, Haltestellen, Bahnsteige – haben eine unterschiedlich lange Lebensdauer. Wenn man alles gleichzeitig erneuere, so sei das „Geldverschwendung in großem Stil“. Prof. Heiner Monheim wiederum fragte den langjährigen Chef der Schweizer Bahn, Benedikt Weibel. Seine Antwort hat denselben Tenor: Richtig ist und bleibt, wie es weltweit praktiziert wird: Sinnvoll sei die Instandhaltung unter dem rollenden Rad, bei laufendem Betrieb. Wie dies in der Schweiz auch weiter stattfinden werde.

Die entscheidenden zwei Gründe für die „radikale“ Wende in der Instandhaltungspolitik des DB-Konzerns lauten: Erstens. Man fuhr jahrzehntelang extrem verantwortungslos auf Substanz. Das will man nicht eingestehen. Daher die plötzliche Schein-Erkenntnis: Die Art der Instandhaltung war falsch – jetzt machen wir es anders als der Rest der Welt.

Zweitens. Deutschland investiert so wenig in die Schiene wie kaum ein anderes europäisches Land. Bei uns werden pro Kopf und Jahr 124 Euro in die Schiene investiert. In Schweden, Österreich und Norwegen sind es mehr als doppelt so viel (253, 271 und 315 Euro). Und in dem Land, in dem die Schiene weitgehend noch Vorbild ist, in der Schweiz, sind es mit 440 Euro je Kopf 3,5 Mal mehr.3

Daran soll sich, so Ihre Politik, Herr Wissing und Herr Huber, nichts ändern. Im Gegenteil: Über den neuen Haushalt für das Jahr 2023 urteilt das Deutsche Verkehrsforum: „Die Investitionen werden real heruntergefahren“.4

Unsere Bilanz: Die Bahnpolitik im Land war und bleibt ein Skandal. Selbst in Zeiten der nahenden Klimakatastrophe wird das Fahren auf Verschleiß fortgesetzt. Nun wird durch ein grundfalsches Sanierungsprogramm zusätzlich in großem Umfang Geld verschwendet. Damit bleibt am Ende für die Schiene noch weniger. Und von diesem Geld fließt wiederum der größte Teil in zerstörerische Großprojekte.

[Anrede]

Kommen wir zur zweiten Ansprache.

Sehr geehrter Herr Michael Theurer,

als sie noch Oberbürgermeister von Horb waren, da haben Sie gut ein Dutzend Mal die bundesweit wichtigen „Horber Schienentage“ eröffnet. Mich begrüßten Sie dort zwei Mal namentlich – als, wie Sie sagten, „Sohn der Stadt Horb“. Diese Blumen reiche ich posthum an meine Mama; die Tatsache, dass ich in Horb geboren wurde, ist allein ihr Verdienst.

Inzwischen sind Sie, Herr Theurer, Staatssekretär im Verkehrsministerium und Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr. Meine Horber Freunde vom Zentrum „Kultur im Kloster“ sagten mir, dass man Sie dort durchaus noch ab und an sieht. Und sich freundlich grüßt – auch wenn inzwischen die politische Distanz deutlich größer wurde.

Nun liegt Horb an der Gäubahn – an der berühmten Bahnstrecke Zürich – Singen – Stuttgart. Diese Bahn soll ab 2025 auf der Höhe von Vaihingen gekappt werden, dort wo die wunderbare Panoramabahn beginnt, die bisher im Stuttgarter Kopfbahnhof endet. Viele Jahre lang soll es dann gar keine durchgehende Verbindung Zürich – Stuttgart mehr geben. Und irgendwann, um das Jahr 2035 oder 2040 herum, soll es einen neuen, zehn Kilometer langen sogenannten Pfaffensteigtunnel geben, mit dem man von der Höhe kommend ins Dunkle gedrückt, zum Stuttgarter Flughafen und von dort in den Stuttgart21-Tiefbahnhof geleitet wird.

So gut wie alle Städte und deren Bürgermeister an dieser Strecke sind empört über die Unterbrechung und Zerstörung dieser wunderbaren Eisenbahnstrecke, über die ein ausgezeichneter swr-Film von Hermann Abmayr aus dem Jahr 2019 berichtet.5

Und was machen da Sie – als Horber, als vieljähriger Schirmherr der Horber Schienentage? Sie ducken sich weg! Sie sind zu feige, um gegen die de facto-Aufgabe der Panoramabahn, die Stuttgart 21 geopfert werden soll, zu protestieren! Stattdessen betätigen Sie sich als Nebelwerfer.

So äußerten Sie jüngst im „Schwarzwälder Bote“, es gehöre „untersucht, ob wir dann [nach der Unterbrechung der Gäubahn bei Vaihingen; W.W.] den Regionalzug aus Freudenstadt in Eutingen gabeln lassen – ein Teil fährt Richtung Süden. Der andere Teil wird an die S-Bahn angekoppelt und könnte dann möglicherweise durch den S-Bahn-Tunnel bis zum Hauptbahnhof fahren.“6 Das ist Eiertanz und bahntechnischer Unfug.

Im Übrigen, Herr Theurer, ist der Pfaffensteigtunnel Teil von Stuttgart 21, 2.0, von einem zweiten Stuttgart 21. Mit diesem – und mit weiteren neuen Tunnelprojekten – werden wir am Ende gut 100 Kilometer Schienen-Tunnelstrecken unter der Landeshauptstadt haben. Zum Vergleich: Bundesweit gibt es „nur“ 580 Kilometer Tunnelstrecken im Schienennetz. Unter der baden-württembergischen Landeshauptstadt läge dann ein Sechstel aller Schienentunnelstrecken im gesamten deutschen Schienennetz. Eine vergleichbare Tunnelmanie gibt es nirgendwo sonst.

Auch hier lautet unsere Bilanz: Selbst in Zeiten der nahenden Klimakatastrophe werden Schienenstrecken zerstört. Werden Millionen zusätzliche CO2-Emssionen durch völlig unnötigen Tunnelbau produziert. Die Verantwortung dafür tragen namentlich bekannte Politiker, so Sie, Herr Theurer!

[Anrede)

Womit wir bei der dritten Ansprache sind.

Sehr geehrte Herren Winfried Kretschmann und Winfried Hermann!

Sie beide sind ausgewiesene Kenner der Problematik von Stuttgart 21. Vor der Regierungsübernahme am 12. Mai 2011 kritisierten Sie auf Montagsdemonstrationen kompetent das Projekt, umjubelt von Tausenden S21-Gegnerinnen und Gegnern.

Nun lassen Sie nicht nur zu, dass das Projekt unter Ihrer grün geführten Regierung seit gut zehn Jahren umgesetzt wird. Sie haben auch Ihre konkrete Kritik am Projekt aufgegeben.

In dem Film, den Klaus Gietinger für unsere Gruppe Bürgerbahn drehte – und der am 21. November im „Delphi“-Kino in Stuttgart Premiere hat – sagen Sie, Herr Hermann, der S21-Bahnhof sei „vielleicht bis 2030 zukunftsfähig“, doch da es „danach“ eine Verdopplung der Fahrgastzahlen geben müsse, müsse man halt eine „Ergänzungsstation“ bauen.

Wir fügen hinzu: Das soll eine zweiter unterirdischer Bahnhof sein. Und: Es soll ein KOPFbahnhof sein! Als ob wir nicht seit 25 Jahren als Begründung für S21 hören würden, Kopfbahnhöfe seien aus der Zeit gefallen.

Sie beide, Herr Kretschmann und Herr Hermann, ließen in den neuen grün-schwarzen Koalitionsvertrag, datiert auf den 21. Mai 2021, diese „Ergänzungsstation“ hineinschreiben – als Teil des zweiten Stuttgart 21.

Zunächst einmal heißt das: Unserer zwei Jahrzehnte lang geäußerten Kritik, der 21-Bahnhof hätte nicht ausreichende Kapazitäten, wird klammheimlich Recht gegeben. Doch anstatt zu sagen, dann müsse der bestehende Kopfbahnhof erhalten bleiben, sollen es nun gleich zwei Untergrundbahnhöfe werden.

Das heißt auch: Dass es noch mehr Tunnelstrecken – und noch mehr Brandgefahr geben wird.

Dafür gab es vor wenigen Tagen ein bedrückendes Beispiel. Am 22. Oktober fand auf der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm, die im Dezember in Betrieb gehen soll, ein Großeinsatz von Feuerwehren mit 650 Einsatzkräften statt. Geübt wurde der Brand eines ICE im 8,7 Kilometer langen Albvorlandtunnel.

In einem Bericht der „Nürtinger Zeitung“ heißt es, die Feuerwehren verfügten nicht über die notwendige Technik; diese Technik musste teilweise von der Baustelle ausgeliehen werden. Es habe, so wurde weiter berichtet, „eine gefühlte Ewigkeit gedauert“, bis die Fahrzeuge eingefahren seien. Die Zeitung berichtete auch mit Details, auf Basis des Materials von Christoph Engelhardt von unserer Bürgerbahn-Gruppe, dass ICE-Züge durchaus in Brand geraten können – und dass das bereits rund ein Dutzend Mal erfolgte. Die Zeitung stellte in diesem Zusammenhang dem Eisenbahnbundesamt konkrete Fragen zur Brandgefahr in einem S21-Tunnel. Das Blatt stellt dann fest – ZITAT: „Die Genehmigungsbehörde ging auf unsere Fragen nicht konkret ein“.

Doch was die Nürtinger wissen durften, sollen die Menschen in der Landeshauptstadt eher nicht wissen. In den beiden Stuttgarter Zeitungen wurde es so dargestellt, als sei bei der Übung alles im grünen Bereich abgelaufen. Die Unterschiede zwischen der „Nürtinger Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ sind dann so groß, dass Peter Müller in einem Schreiben an beide Zeitungen äußerte: „Ich (bin) mir nicht sicher, ob beide Zeitungen über das gleiche Ereignis berichteten.“

So verschwiegen z.B. die „Stuttgarter Nachrichten“, dass laut „Nürtinger Zeitung“, „die Presse [bei der Übung] nicht zugelassen war“ und dass, ebenfalls laut „Nürtinger Zeitung“, „in einem internen Papier gar die Rede davon (ist), dass nur autorisierte Personen mit Vertretern der Presse sprechen und auch nur autorisierte Personen im Tunnel fotografieren dürfen.“7

Unsere Bilanz lautet: Immer noch mehr Tunnel mit S21 und S21 2.0 heißt: immer noch größere Brandgefahren. Einen überzeugenden Brandschutz für Stuttgart 21 gibt es nicht. Dafür tragen konkrete Politiker die Verantwortung – so Sie, Herr Kretschmann, und Sie, Herr Hermann, die sie diesen Tunnelmanie weiter fördern und die konkreten immer neuen Berichte über die Brandgefahren und den fehlenden Brandschutz bei S21 ignorieren! Damit verstoßen Sie gegen Ihren Amtseid. Dieser lautet, dass Sie Ihre „Kraft dem Wohl des Volkes widmen und […] Schaden von ihm wenden müssen.8

Kommen wir zur letzten und vierten Ansprache.

Sehr geehrter Herr Dürr!

Sie sind ja faktisch der Haupterfinder von Stuttgart 21 – jedenfalls in der Außendarstellung. Daher kommt Ihnen in dem neuen Stuttgart21-Film von Klaus Gietinger die Ehre zu, dass wir Ihre Rede aus dem Jahr 1994, in der Sie das Mega-Projekt verkünden, in Ton und Bild dokumentieren.

Damals sagten Sie im Stuttgarter Stadtparlament: „Der Verkehr durch dieses Projekt kann erheblich gesteigert werden, also ich sag mal ganz schlicht, verdoppelt werden.“

Dass das dumm und dreist – dass das möglicherweise sogar Lug und Trug – war, ist inzwischen bestätigt: S21 bringt keine Verdopplung. Stuttgart 21 bedeutet im Gegenteil einen deutlichen Abbau der Kapazitäten.

Jetzt hatte Regisseur und Bürgerbahn-Mitglied Klaus Gietinger die Gelegenheit, jüngst, Mitte 2022, mit Ihnen, Herr Dürr, ein neues Interview zu führen. Und da sagen Sie zum gleichen Thema:

„Ja, des Problem war, dass des plötzlich ein Bahnhof geworde isch. Mir ging’s aber nur drum, wenn der Sackbahnhof wegkommt, dass dann Stuttgart-Zentrum 125 Hektar Land kriegt, im Zentrum, ja. Und des hamm die nicht verstande, dann gings nur noch um den Bahnhof.“

Klaus hakt an dieser Stelle mit den Worten nach: „Aber der [Bahnhof] ist doch jetzt zu klein?“ Antwort Dürr: „Gut, der geht ja trotzdem […] Des kriegen sie schon hin, die können ja schneller, nönö, des geht schon.“

Damit wurden Sie, Herr Dürr, zum neuen Kronzeuge dafür, was Stuttgart 21 wirklich ist – und was wir immer wieder sagen, was nicht zuletzt Joe Bauer immer wieder mit Blick auf die Zerstörung der Stadt Stuttgart hier vorträgt: Es geht nicht um Schienen, Bahnhof und Fahrplanverbesserung. Es geht um Immobilien, Spekulation und Gewinnoptimierung. Und dabei geht es auch um eine weitere Zu-Bebauung im Stuttgarter Zentrums, ausgerechnet in Zeiten der nahenden Klimakatastrophe, ausgerechnet dort, wo die Frischluftzufuhr im Stuttgarter Kessel so dringend notwendig ist – und nun durch hohe Neubauten weiter abgeblockt werden soll.

Das erklärt ja dann auch, warum der S21-Miterfinder Günther Oettinger im Beirat des neuen Immobilienkonzerns Gröner auftaucht, warum der S21-Betreiber Ronald Pofalla im selben Immobilienkonzern als neuer Geschäftsführer wirkt – wobei Gröner wiederum erklärte, ein wesentliches Anliegen des Konzerns sei es, sich um „die Bahnhöfe der Bahn zu kümmern“. Das erklärt auch, warum die Oettinger-Partnerin Friederike Beyer und die ehemalige S21-Betreiberin und frühere Verkehrsministerin Tanja Gönner bei ECE, der Tochter des Otto-Konzerns, Europas größtem Immobilienentwickler, aktiv wurden. Und wenn Rüdiger Grube als Bahnchef neue S21-Tunnel beschließen ließ, dann war es logisch, dass er nach seinem Weggang aus dem Bahntower beim Tunnelbauer Herrenknecht anheuerte. Wie sagte der Herr doch: „Cash in the Däsh – is the name of the game!“

[Anrede]

Es muss eingestanden werden: Die zerstörerische Macht der Betonlobby und die Gier der Spekulanten, die hinter Stuttgart 21 stehen, ist gewaltig. Und oft erscheint es so: Je besser unsere Argumente werden, desto hartleibiger und ignoranter werden unsere Gegner.

Doch wir geben nicht auf. Wir nicht als Bürgerbahn-Gruppe mit dem Alterativen Geschäftsbericht Deutsche Bahn AG von Ende März, mit der „Klimabahn statt Beton-Bahn“-Konferenz von Mitte Mai im Stuttgarter DGB-Haus und mit dem soeben erschienenen neuen Lunapark21-Klimabahn-Heft, das diese Konferenz dokumentiert. Ihr nicht mit den bewundernswerten Demonstrationen an jedem Montag und mit der tapferen Dauer-Mahnwache gegenüber des verstümmelten Bonatzbaus … Mit all dem halten wir dagegen.

Der nächste Höhepunkt unseres Widerstands wird der 21. November sei – dann, wenn nach der Montagsdemo im Delphi-Kino die Premiere des Films „Das Trojanische Pferd – Stuttgart21“ stattfindet. Wobei zwei weitere Termine im gleichen Kino fest geplant sind und es bereits ein Dutzend Städte gibt, die den Film in den nächsten Wochen zeigen werden, darunter in Hamburg, wo unsere Freunde und Freundinnen von Prellbock-Altona ein vergleichbar bahnzerstörerisches Projekt bekämpfen und immer wieder auf die Parallelen zu Stuttgart 21 verweisen.

Übrigens: Klaus Gietinger wird am 21. November auf der Demo reden und nach der Filmvorführung mit dem Publikum diskutieren.

Es bleibt mir, wie immer, zu sagen: Aufrecht gehen! Mensch bleiben!

Oben bleiben!

Anmerkungen:

Winfried Wolf ist Chefredakteur von Lunapark21. Er ist aktiv bei Bürgerbahn statt Börsenbahn. Autor u.a. von „abgrundtief + bodenlos. Stuttgart 21, sein absehbares Scheitern und die Kultur des Widerstands“ (PapyRossa, 3. Auflage, Köln 2019) und (zusammen mit Bernhard Knierim) von „Abgefahren. Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen (PapyRossa, Köln 2018).

1 Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 4. Oktober 2022.

2 Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 1. Oktober 2022.

3 Allianz pro Schiene, Bericht vom 7. Juli 2022. Stand: 2021. https://www.allianz-pro-schiene.de/presse/pressemitteilungen/deutschland-bei-schieneninvestitionen-weiter-abgehaengt/

4 Deutsches Verkehrsforum, Politikbrief 2/2022; https://www.verkehrsforum.de/application/files/6216/5667/8989/PB_2_2022.pdf#page=4

5 Hier noch zu sehen: https://www.swrfernsehen.de/eisenbahn-romantik/folgen/broadcastcontrib-swr-37008.html

6 Schwarzwälder Bote vom 19.7.2022. An anderer Stelle sagte Theurer, „eine mögliche Alternative sei eine Umleitung über Renningen (Kreis Böblingen), über die man von Norden in den Tiefbahnhof in Stuttgart einfahre. Eine weitere Möglichkeit sei der Umweg über Tübingen, wobei die Strecke zwischen Horb und der Uni-Stadt nicht elektrifiziert ist und man andere Loks bräuchte.“ Süddeutsche Zeitung vom 19.7.2022.

7 Wendlinger Zeitung / Nürtinger Zeitung vom 24. Oktober 2022. ICE-Trasse Wendlingen-Ulm_ Reicht der Brandschutz_ – Nürtinger Zeitung.pdf

8 Artikel 48 der Verfassung Baden-Württembergs lautet: „Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

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