rail blog 194 / Michael Jung

Wenn ein menschliches Rühren zum Problem wird

Die durch das 49 Euro Ticket derzeit besonders an Wochenenden gut gefüllten RE/RB Züge offenbaren ein weiteres Problem in den Nahverkehrszügen: die unzureichende Anzahl von Toiletten. Wenn dann in einem RE Zug aus fünf Waggons von den fünf Toiletten nur noch eine funktioniert kann das schnell zu einem Problem für einige Reisenden führen. Bei einem super vollbesetzten Zug, in dem dann Reisende auch in den Gängen stehen, kann das zu einem wahren Hindernislaufen mit Frustrationserlebnissen werden. Besonders wenn die erste, dann die zweite und dann auch noch die dritte Toilette mit einem Schild versehen ist: „Störung, Toilette nicht benutzbar“. Das Zugbegleitpersonal steht dann auch vor der schwierigen Entscheidung, wie lange kann ich dann den Zug noch weiterfahren lassen, was passiert, wenn dann auch noch die letzte Toilette ausfällt, und das dann auch noch das einzige behindertengerechte Klo ist? Für mobilitätseingeschränkte Reisende verbietet sich ja ein Herumklettern durch einen voll besetzten Zug.

Hier zeigt sich dann nicht nur die häufig unzureichende Wartung der Züge, die wegen fehlender Ersatzteile dann mit einem oder zwei nicht funktionierenden Klos auf die Reise geschickt werden in der Annahme, die restlichen drei werden schon durchhalten, sondern ein generelles Problem.
Wasser und Abwassertanks der Triebwagen oder Waggons sind von der Größe her so dimensioniert, dass sie bei einer durchschnittlichen Zugbesetzung, die aber mit Ausnahme in der morgendlichen und abendlichen Verkehrsspitze selten über 60% lag, ausreichend sind für einen Tagesumlauf, bevor sie wieder ins Bahnbetriebswerk kommen. Eine Unterwegsbefüllung /Entleerung der Tanks ist im heutigen Betrieb nicht vorgesehen. Sind die Züge aber voll, oder gar zu mehr als 100% besetzt, und zudem noch einige Klos defekt, dann ist hier schnell Wassernotstand oder Überfüllung ansagt. Dies umso mehr, wenn die Züge an Wochenenden vorwiegend von Freizeitreisenden, vielleicht auch nach ausgiebigen vorherigen Bierkonsum, benutzt werden. Die Zeiten in denen dies keine Rolle spielte und der Kloinhalt einfach ins Gleisbett entleert wurden, sind ja zum Glück schon seit bald zwei Jahrzehnten vorbei.

Allerdings findet das Entsorgungsdrama seine Fortsetzung an den Bahnhöfen, die häufig über keine oder völlig unzureichende und/oder allenfalls kostenpflichtige Toilettenanlagen verfügen. Das führt dann leider auch an großen Bahnhöfen und besonders auch in unterirdischen Stationen zu den ekelhaften Pinkelecken, die dann nicht einmal konsequent gereinigt werden…..

Die Story ließe sich beliebig fortschrieben.

Fazit ist: Nicht nur die Behältergröße der Züge muss dem gestiegenen Passagieraufkommen durch das 49-Euro-Ticket angepasst werden, sondern auch die Ver- und Entsorgungsinfrastruktur der Züge, wie auch der Bahnhöfe, um wirklich dauerhaft Reisende zum Umstieg auf die Bahn zu veranlassen. Aber das kostet halt Geld. Da fragt man sich: Ist das auch ein Grund, dass der Bund als Eigentümer der Bahn ganz offensichtlich so schnell wie möglich dem 49 Euro Ticket den Garaus machen möchte?

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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