rail blog 265 / Joachim Holstein

Vergessene Zugbindung

Über zwei Wochen vor Antritt einer Fernreise flattert mir eine Mail der »DB Reisebegleitung« ins Haus: es gebe eine Fahrplanänderung.

Ihr Zug fährt von Hamburg Hbf früher ab. Die neue Abfahrtszeit ist um 16:24 Uhr.

Bitte beachten Sie die neuen Zeiten.

Es wird leider keine Begründung angegeben, nicht einmal dann, wenn man auf den Button »Aktuelle Informationen hier abrufen« klickt. Denn daraufhin werden nicht etwa Fahrplaninformationen zur betroffenen Verbindung angezeigt, sondern man wird aufgefordert, die Auftragsnummer der Fahrkartenbestellung einzutippen.

Hm.

Im nächsten Schritt will man auch noch den Nachnamen der reisenden Person.

Nee, oder?

Und dann steht im orangenen Warn-Rahmen:

Auf Ihrer Reise hat sich der Fahrplan geändert. Bitte beachten Sie die aktuellen Fahrtzeiten und informieren Sie sich, ob Sie die neue Verbindung mit Ihrem Ticket nutzen können.

Für die aktuellen Fahrzeiten muss ich wieder ein paar Mal klicken. Und dann stellt man im Vergleich fest, wo das Problem liegt: zwischen Göttingen und Kassel braucht der Zug länger. Schön und gut und sicherlich auch notwendig, aber warum schreibt die DB das nicht gleich in die Mail oder wenigstens auf die erste Seite, die man bei den »aktuellen Informationen« zu sehen bekommt? Es handelt sich immerhin, so das Ergebnis einer weiteren Recherche, um die monatelange Sperrung eines Tunnels auf der Schnellstrecke, weshalb alle ICE auf die klassische Strecke über Eichenberg und Hann. Münden ausweichen müssen. Und da zwischen Hamburg und Kassel dank der Stundentakte Richtung München und Richtung Frankfurt ein annähernder 30-Minuten-Takt gefahren wird, wechselt man nördlich von Göttingen einfach in die andere Fahrplantrasse.

Schön einfach.

Leider bleibt ja noch die Klärung einer Frage:

Bitte … informieren Sie sich, ob Sie die neue Verbindung mit Ihrem Ticket nutzen können.

Da steht weder wo, noch wie – und schon gar nicht warum. Denn üblicherweise steht bei einer Fahrtzeitverlängerung von 37 Minuten in der Nachricht: »Die Zugbindung ist aufgehoben«, denn ab 20 Minuten hat man die freie Auswahl.

Hier jedoch soll mein Zug zur planmäßigen Zeit in Würzburg ankommen. Also ohne Verspätung.

Aber er soll eben 37 Minuten früher abfahren.

Und da liegt das Problem.

Wer sagt denn, dass ich diesen vorverlegten Zug überhaupt erreiche? Vielleicht habe ich vorher Termine, die ich nicht einfach um über eine halbe Stunde verkürzen oder vorverlegen kann? Möglicherweise habe ich den Zug um 17:01 Uhr und nicht den um 16:01 Uhr genau aus dem einen Grund gebucht, weil ich erst kurz vor 17 Uhr am Bahnhof sein kann?

Warum also, liebe DB Reisebegleitung, steht in der Nachricht nicht:

»Die Zugbindung ist aufgehoben. Bitte … informieren Sie sich, wie Sie Ihr Ziel am besten erreichen können.«

Stattdessen, so muss man das Fehlen des entsprechenden Hinweises verstehen, hebt die DB die Zugbindung nicht automatisch auf.

Ich nehme die Herausforderung an und wähle die Hotline der DB. Eine männliche Stimme kann oder will mir nichts erklären und verweist mich an den Schalter:

Bitte erkundigen Sie sich in einem Reisezentrum, ob man Ihnen die Zugbindung aufhebt.

So höflich wie möglich weise ich diesen Mitarbeiter darauf hin, dass die DB seit Jahren alle Anstrengungen unternimmt, den personenbedienten Verkauf einzuschränken und einen zum Kauf ins Internet oder ans Telefon zu treiben. Also, sage ich, würde ich auch erwarten, dass ich die notwendige Klärung im Internet oder am Telefon erreichen kann, anstatt zu einem Bahnhof zu fahren, dort Schlange zu stehen und dann mit einem Mitarbeiter zu diskutieren.

Die Stimme grummelt irgendwas, dann höre ich Musik. Und plötzlich kommt eine weibliche Stimme mit dem typischen leichten Dialekt aus der Region Halle/Saale, wo anscheinend alle deutschen Callcenter sitzen. Die Mitarbeiterin versteht sofort, wo das Problem liegt, ruft die Verbindung auf und sagt:

Selbstverständlich ist die Zugbindung aufgehoben, denn es gibt ja keine Abfahrt um 17:01 Uhr mehr. Ich verstehe nicht, warum das in der Nachricht nicht drinsteht. Sie können also auch um 17:24 Uhr fahren, wenn Sie den Zug um 16:24 Uhr nicht erreichen können.

Ich rege an, bei der Programmierung der Mitteilungen nachzubessern, bedanke mich und frage mich, warum eine Person mit dieser Auffassungsgabe und dieser Kundenorientiertheit nicht Chefin des ganzen Ladens ist oder zumindest für die Schulung des gesamten Kollegiums eingesetzt wird.

Auf Ihre Auskunft werde ich mich verlassen. Und dann wird sich zeigen, welchen der beiden Züge ich erreiche und wie das dort eingesetzte Personal agiert.

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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Ein Kommentar zu “rail blog 265 / Joachim Holstein”

  1. Ich stolpere auch über diese Formulierung bei meiner An- und Abreise zum Flughafen Frankfurt (ICE und S-Bahn) – irgend etwas ist zwischen Hauptbahnhof Frankfurt und Fern- als auch Regiobahnhof am Flughafen los: Bei der Hinreise steht eindeutig „Zugbindung ist aufgehoben“, meine Rückreise wurde um 1h (!) vorverlegt mit dem Hinweis „Auf Ihrer Reise hat sich der Fahrplan geändert. Bitte beachten Sie die aktuellen Fahrtzeiten und informieren Sie sich, ob Sie die neue Verbindung mit Ihrem Ticket nutzen können.“

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