Inkompetenz und Inkasso
Kaum hatte ich den Blogbeitrag 337 über »Abgehobene Organisationen« geschrieben, erreicht mich eine Meldung der Tagesschau, die dazu passt wie die Faust aufs Auge:
»Das ist ein Phänomen, das man überall bei der DB beobachtet«, sagt [Pro Bahn-Landesvorsitzender] Wand. »Es gibt behördenähnliche Strukturen, und die wissen teilweise selbst nicht, wer für was zuständig ist.«
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/deutschlandticket-abo-kuendigung-inkasso-100.html
Worum geht es?
Die DB bekommt es offenbar in vielen Fällen nicht hin, die Kündigung eines Deutschlandtickets korrekt zu verarbeiten:
Noch vor ihrer Reise hatte das Ehepaar Schlang das Abo fristgerecht gekündigt. Obwohl die Bahn die Kündigung schriftlich bestätigte, wurden weiter Beträge abgebucht und das Abo verlängert. Auf Rückfragen per E-Mail und Telefon erhielten die Schlangs keine Antwort.
Stress für das Rentnerpaar, das glaubhaft bestreitet, das Abo erneut gebucht zu haben. Das Geld haben die Schlangs zwar sofort zurückgebucht, aber dann kamen Mahnungen und Post vom Inkassobüro. Der Einspruch bei der Bahn blieb auch nach über einem Jahr erfolglos.
Die Tagesschau hat recherchiert. Verbraucherzentralen und Pro Bahn haben Tausende von Beschwerden vorliegen, was einen Systemfehler nahelegt:
Dafür spricht auch die Tatsache, dass dem Bundesverband der Verbraucherzentralen mittlerweile rund 2.400 Rückmeldungen zum Deutschlandticket vorliegen. Die Mehrheit davon ist negativ, wie der Verband mitteilt.
Der Bundesverband Verbraucherzentrale vermutet einen Systemfehler bei der DB, der zu Fehl- oder Mehrfachbuchungen führt. Zudem wurde der Kundenservice als unzureichend kritisiert.
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn hat zahlreiche Beschwerden erhalten. „Die Beschwerden nehmen wir seit über einem Jahr entgegen, und ich bin ehrlicherweise schockiert, dass immer noch keine Besserung passiert ist“, sagt Noah Wand, Landesvorsitzender von Pro Bahn in Rheinland-Pfalz und dem Saarland.
Von abgebrochenen Bestellvorgängen wird berichtet, »die trotzdem zu monatlichen Abbuchungen geführt hätten. Der Kundenservice der Bahn habe in vielen Fällen auch hier nicht reagiert – stattdessen kam Post von einem Inkassobüro.«
Offenbar steht DB AG auch für Digitale Bredouille Allererster Güte. Und für die Kundschaft wird das womöglich auch eine finanzielle Bredouille:
»Das kann teilweise zu Fehlbuchungen führen, wo 17-mal im Monat ein einziges Ticket abgebucht wird, und das bringt natürlich Menschen in die Bredouille«, so Wand.
17 mal 49 Euro – über 800 Euro! Da wird der Gang zum Anwalt angeraten, aber auch das kostet wiederum Geld. Und so passiert dasselbe wie bei der allgemein bekannten Abmahn- und Inkassomafia:
Die Auswertung der Verbraucherzentralen zeigt aber: Nicht alle Betroffenen wehren sich. Aus Angst vor Mahngebühren oder schlechten Bonitätsbewertungen begleichen einige deshalb auch ungerechtfertigte Forderungen.
Das namentlich vorgestellt Ehepaar hat nicht kapituliert, sondern hat sich an die Öffentlichkeit gewandt:
Das Ergebnis: Die Bahn verzichtet »aus Kulanz« auf die Forderung.
Herbert Schlang ist trotzdem empört. »Ich habe eine Buchung eines Tickets und eine bestätigte Kündigung. Also, von Kulanz kann hier keine Rede sein.«
Auch wenn die Schlangs nun Entspannung woanders suchen: Die Probleme rund um das Deutschlandticket bestehen offenbar weiterhin. Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene ihre Rechte kennen und sich wehren – damit aus einem günstigen Angebot nicht ein teurer Ärger wird.
Die Bahn weigert sich also, einen Fehler zuzugeben, sondern unterstellt der geprellten Kundschaft nach wie vor, den Computer falsch bedient zu haben.
Da fragt man sich, ob das B in DB AG nicht sogar für Betrug steht.
Und vollends in einem absurden Theaterstück wähnt man sich, wenn man liest, zu welchen Vorsichtsmaßnahmen Anwältin und Pro Bahn raten müssen, nämlich:
… alle Unterlagen aufzuheben und auch Screenshots zu machen – damit auch jederzeit nachgewiesen werden kann, dass man tatsächlich gekündigt hat.
Also »das Internet ausdrucken«, weil der DB-Konzern einem die Digitalisierung aufzwingt, der aber weder die Technik noch einen vernünftigen Umgang mit der drangsalierten Kundschaft gebacken bekommt. Passenderweise hat der Verein Digitalcourage der DB wegen ihres Digitalzwangs und Datenhungers einen der »Big Brother Awards« für 2024 zuerkannt; mehr dazu in einem meiner nächsten Blogs:
https://bigbrotherawards.de/2024/deutsche-bahn
Wichtigste Schlussfolgerung aus dem Desaster mit den gekündigten, aber trotzdem noch berechneten Deutschlandticket-Abos:
Um solchen Problemen aus dem Weg zu gehen, empfiehlt Pro Bahn den Erwerb des Tickets bei einem regionalen Anbieter wie beispielsweise den Verkehrsverbünden. Dort sind laut Verband keine vergleichbaren Beschwerden bekannt. »Zumindest nicht, wo das Problem dann nicht innerhalb kürzester Zeit wieder gelöst wurde«, so Wand. Denn auch die Wege zum Kundenservice seien hier wesentlich kürzer.
Also: Kaufen Sie das Deutschlandticket beim lokalen Anbieter und nicht bei der DB! Das ist nicht nur sicherer und kundenfreundlicher, sondern sorgt auch dafür, dass Ihr lokaler oder regionaler Anbieter mehr Geld hat – denn die Einnahmen bleiben komplett bei ihm. Damit können die Fahrpersonale und Fahrzeuge bezahlt werden, die Sie täglich benutzen, anstatt die Bonus-Taschen des Bahnvorstandes zu füllen.
Und vielleicht bekommen Sie das Deutschlandticket sogar noch als Chipkarte.