rail blog 52 / Andreas Kleber

„Der Spinnerclub“ – Geburtsstunde des Schweizer Taktfahrplans

*Jahrzehntelange Stammgäste der KLEBER-POST, Saulgau und ADLER Glottertal (meine Schwester) und Freunde von Üeli und Margit Übelhart aus Gümligen (bei Bern) waren auch von Oberschwaben und dem oberschwäbischen Barock sehr angetan. Als Mitglied des Berner Kunstvereins kamen durch sie öfters Mitglieder des Berner Kunstvereins nach Saulgau, von wo sie dann Touren in Oberschwaben unter sachkundiger Führung durchführten: von einer der bekanntesten Kulturwissenschaftlerin, Frau Dr. Verena Stähli-Lutin, die Frau von Samuel Stähli – von seinen Freunden ehrfurchtsvoll und mit voller Hochachtung „dr Schwyzr Isebah-Sämi“ genannt.

Bei einer oberschwäbischen Barockreise des Berner Kunst- und Kulturvereins, die von der Kunsthistorikerin Frau Dr. Verena Stähli geleitet wurde, waren stets auch die Ehepartner dabei. Als „Standquartier“ wurde durch Üeli und Margit Übelhart die Kleber-Post ausgewählt; wo natürlich abends bei dementsprechendem Menu u.a. mit einer von mir geführten Keller-Weinprobe auch die „kulinarische Kunst“, für die ja die Schweizer sehr anhänglich sind, ergänzt wurde. Durch meine längere Tätigkeit in der Schweiz (Kantone Graubünden, Vaud und Wallis) sowie als „dipl.hôtelier“ der Ecôle hôtelière Lausanne konnte ich viele Schweizer Gäste für die KLEBER-POST gewinnen und mit vielen ist eine Freundschaft entstanden. Dabei spielte auch die BAHN eine Rolle: mein Interesse an den Schweizer Bahnen war ja bekannt… Bevor Frau Dr. Stähli einen Vortrag im Barocksaal hielt, meinte Üeli: „Sämi, Du bischd bessr bim Andreas in dr Bar ufghoba!“ Für mich eine große Ehre, mit einem so hoch angesehenen Eisenbahnfachmann in der Bar zusammen sein zu dürfen: „Sicher werden Sie wohl oft in die Berner Alpen zum wandern gehen?“ – „Am liebsten ins Engadin“ – „Mit der Rhätischen Bahn!“ – gute Einladung zum 1. Treffen.

Die Entwicklung der Bahn in den 70er Jahren machten nicht nur ihm Sorgen: die Passagierzahlen sanken, große Teile der Schweiz betrachteten den öffentlichen Verkehr eher als Auslaufmodell, der bis zur Vollmotorisierung der Schweiz für Arme und Alte noch aufrechterhalten werden müsste. Unterstützt wurde diese „Propaganda“ vom ACS (Schweizer Automobilclub) sowie der Beton Route SA. Doch viele, u.a. Samuel Stähli, ließen sich von dieser Resignation nicht anstecken.

Aus eigener Initiative entwickelte er in den 70er Jahren mit seinen Freunden Jean-Pierre Berthouzoz und Hans Meiner „Taktfahrplan Schweiz – ein neues Reisezugkonzept“ , zu dem später noch einige dazustießen: der Spinnerclub wie er genannt wurde, war entstanden. Keine Statuten, kein Vorstand; nur er war die treibende Kraft. Die Idee: der Verfügbarkeit des PKW die Verfügbarkeit der EISENBAHN gegenüber zu setzen. Bei aller Unterstützung und Begeisterung seitens der SBB und der Bundespolitik war dies kein einfaches Unterfangen: Die Erhöhung der Zugleistungen, die Nebenbahnen, teils Bergbahnen und PTT-Buskurse und Schifffahrtskurse auf den Binnenseen der Schweiz mussten miteingebunden werden. Da die Schweiz traditionell ein Durchreiseland ist, mussten auch die international durchlaufenden Züge angepasst werden! So wurde aus dem Hispannia Express Cerbére-Hamburg der IC Mont Blanc Génève – Hamburg, der in den damaligen IC-Takt Généve-Jurastrecke-Basel eingebunden wurde und dessen Liege- und Sitzwagen von Cerbère nur bis Basel liefen. Er erklärte mir die Gesetzmässigkeiten der Taktfahrpläne: angefangen von den Voraussetzungen über die Fahrplansymmetrien, die Wahl bei Zweistunden- Stunden und Halbstundentakt, die Netzgrafik und die Ausarbeitung eines Taktfahrplanes für den Güterverkehr. Und welche Infrastrukturmaßnahmen am Netz zu ergreifen sind: teils zweigleisiger Ausbau, wo es ging, längere Überholstationen, zusätzlicher Signal- und Weicheneinbau sowie die höhere Energieversorgung. Abgesehen von der Kostenrechnung bis hin zum Marketing? Samuel Stähli war ein Vordenker der modernen Eisenbahn; mit seiner Überzeugungskraft konnte er nicht nur den SBB-Vorstand überzeugen, sondern auch die verkehrspolitisch Verantwortlichen und die Vorstände der vielen Schweizer Privatbahnen (im kantonalen Besitz) . Aber auch da gab es doch manche Widerstände: Berufs- und Schülerverkehr ließen manche Fahrplanlagen nicht zu. Aber auch da konnte er keine Ausnahme machen: bekannt ist u.a., dass mancher Sonderverkehr (Schulen) durch Busse ersetzt werden musste, um den Taktverkehr nicht zu gefährden! Und manche Saisonzüge wie der GLACIER- oder BERNINA-EXPRESS ließen sich halt nur teilweise in den Taktverkehr integrieren: Der GLACIER-EXPRESS zum Beispiel mußte auf seine Halte zwischen Oberwald-Brig v.v. verzichten, damit er auf dem Stammnetz der RhB und BVZ im Takt blieb…

Sorgen bereiteten ihm die Fertigstellung der benötigten Infrastrukturmaßnahmen. Aber minutiös geplant konnte der Schweizer Taktfahrplan am 23. Mai 1982 aufgenommen werden: es war ein heute noch anerkanntes Meisterwerk von Samuel Stähli und dem Spinnerclub. Und zugleich ein Meilenstein für weitere Entwicklungen im Schweizer Eisenbahnnetz.

Samuel Stähli zuzuhören, von ihm in seiner begeisterten Art zu erfahren, wie man eine moderne Eisenbahn gestalten kann, gehört für mich heute noch zu den unvergesslichen Sternstunden.

Beim nächsten blog werde ich über seine nächsten Projekte berichten: die „Züri-S-Bahn“ und die Vorbereitungen zur Bahn 2000….

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