rail blog 85 / Andreas Kleber

Vor 35 Jahren: ABSCHIED VON DER V 200

*Wie kamen wir von Bürgerbahn-Denkfabrik für eine starke Schiene dazu, uns so für die EISENBAHN einzusetzen? Bei manchen sind es wissenschaftliche und Umweltgründe, andere wiederum sind berufliche Eisenbahner, und es gibt noch einige, die wie ich, die lt. nach Meinung von Winfried Wolf die Eisenbahn mit der Muttermilch aufgesogen haben. Ich, der schon als Kind jedem Zug und vor allen Dingen seinen Lokomotiven nachschaute und im Kursbuch ihren Lauf verfolgte. Schon im Märklin Katalog der 50er Jahre fiel sie mir auf: die V 200.

Auf der Rückfahrt anlässlich der Hochzeit meines Patenonkels begegnete ich ihr am 15.10.1958 zum ersten Mal, wie sie mit dem D 304 Donau-Kurier in Essen Hbf einfuhr, und mein D 204 Dortmund-München bis Koblenz „nur“ mit einer 01 bespannt war.

*Dipl.-Ing. Carl Böttner (08.11.1904-23.06.1989) entwickelte seit den 30er Jahren Motoren für die Motorenwerke von Karl Maybach, unter anderem die V-Motoren auch für die Schnellverkehrs-Triebwagen (SVT) der 30er Jahre.

Später war er Mitgründer der MTU in Friedrichshafen und häufiger Gast der KLEBER-POST. Es gab bis in die 80er/90er Jahre kaum Literatur über Dieselfahrzeuge, sodass ich von ihm die Unterlagen bekam: er wusste von meiner BAHN-Leidenschaft und gab mir Kopien über die Entwicklung der V 200, die am 20. Mai 1953, vor 70 Jahren ihre erste Probefahrt absolvierte: Eine 2.200 PS starke Diesellok mit 80 t hatte es zuvor noch NIE gegeben: Revolutionär war die Kraftübertragung mittels Strömungsgetrieben und Gelenkwellen. Sie war das weltweit bekannte Aushängeschild deutschen Lokomotivbaus, wurde hauptsächlich im hochwertigen Reisezugverkehr, wie auch auf der Schwarzwald- und teilweise auf der Allgäubahn eingesetzt. Monatsleistungen von 20.000 km waren keine Seltenheit. 86 Maschinen wurden bis 1959 von Krauss-Maffei und MaK gebaut.

*Durch die gesteigerte Zugleistungen wurden ab 1961 50 stärkere Exemplare, die V 200.1, mit 2 x 1.350 PS Maybach-Motoren von Krauss-Maffei gebaut und in den Bw Kempten (Allg), Villingen (Schwarzw.) und Lübeck stationiert. Sie war zeitweise die stärkste Diesellok der DB und meine Lieblingsdiesellok.

*Sie begegnete mir zum ersten Mal 1963 auf der Illertalbahn vor dem D 703 Oberstdorf-Dortmund (Vorgänger der heutigen IC Dortmund-Oberstdorf), ab 30.05.1965 vor meinem Stammzug, VORARLBERG-EXPRESS ab/bis Ulm, u.a. auch 1965-1975 zwischen München und Aulendorf vor meinem Lieblingszug; dem KLEBER-EXPRESS.

*Auf der ganzen Welt war sie zu sehen: ob bei der Eröffnung der Vogelfluglinie mit dem dänischen König und dem deutschen Bundespräsidenten 1963, sowie vor dem Sonderzug von König Elisabeth II bei ihrem Staatsbesuch in Deutschland im Mai 1965. Und bei der IVA in München 1965 war sie neben der E 03 01 der Star!

*Auf dem Führerstand der V 200.1 (später 221) habe ich viel erlebt: die Bekanntschaft meines Freundes Reinhard Dobler (damals Vorstand MA Ulm; später BZA, ein Kollege von Karl-Dieter Bodack), Fahrten auf der Schwarzwaldbahn, am 21.08.1972 bis Schirnding, schwere D-Züge auf der Vogelfluglinie bis Puttgarden, ab 1975 nach Norddeutschland versetzt, Wilhelmshaven-Bremen und Norddeich-Rheine.

06.04.1987: rechts von mir Rüdiger Schwarz, Präsident der BD Essen

*Am 21.11.1974 war die Kemptener 221-143 der Start zu meinem Familienglück; ich fuhr auf ihr vor E 616 von Aulendorf nach Ulm zum ersten Rendezvous zu meiner zukünftigen/jetzigen Frau.

*Da sie über keine elektrische Heizungsanlage verfügte, wurde sie ab 1981 ausschließlich im schweren Güterzugdienst eingesetzt; ihre letzte Heimat war das Bw Gelsenkirchen-Bismarck; nach dessen Auflösung Bw Oberhausen. Auch dort durfte ich bei manchen Besuchen die Lok fahren: Rüdiger Schwarz, Präsident der BD Essen, begleitete mich am 06.04.1987 persönlich zur 221-143.

*Die allerletzte Fahrt der einstigen WIRTSCHAFTSWUNDERLOK bei der DB fand am 26. Mai 1988 statt. Es war ein 1.900 t schwerer Kalk Zug von den Wülfrather Kalkwerken nach Oberhausen. Meinem Wunsch entsprechend war es die 221-143 und ich durfte sie – unter Aufsicht des begeisterten Lokführers Manfred Kantel und des Lehrlokführers Ulrich fahren. Es war ein schwerer Abschied. Als ich zum letzten Mal in Duisburg Entenfang die Bremse zog, weil die S-Bahn zum Hbf bereitstand; um den IC nach Ulm zu erreichen, hatte ich einige Tränen in den Augen. Im Standardwerk über die V 200-Familie von Matthias Maier habe ich u.a. auch einen Artikel geschrieben; und das Betriebsbuch dieser Lok ist in meinem Besitz.

Als „Modell“ diente sie am 16. Juli 1996, dem 325. Jahrestag der KLEBER-POST als Eisbombe.

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