rail blog 96 / Michael Jung

„Ein Dauersanierungsfall oder ein Fall von Pfusch?

Dort erschienener Leserbrief zur HA-Titelseite vom 8.6.23; (siehe unten)

Sehr geehrte Leserbriefredaktion des Abendblattes,

Die Information der Deutschen Bahn zur Streckensperrung Hamburg-Berlin muss man kritisch hinterfragen, das fehlt leider in dieser Meldung, daher sehr nachstehender Leserbrief erlaubt:

„Ein Dauersanierungsfall oder ein Fall von Pfusch?

Die Bahnstrecke Hamburg-Berlin, die definitiv nicht zu den am stärksten belasteten Bahnstrecken in Deutschland gehört, wurde seit der deutschen Wiedervereinigung insgesamt viermal mit erheblichen Aufwand saniert. Von 1991 bis 1998 wurde mit 4,5 Mrd. DM die Strecke elektrifiziert und auf 160 Km/h ausgebaut, was Fahrtzeiten von 2 Stunden 14 Minuten zwischen Hamburg-Hauptbahnhof und Berlin ermöglichte.

Zwischen 2000 und 2004 erfolgte ein Ausbau auf bis zu 230 km/h für eine Milliarde Euro. Das ermöglichte Fahrzeiten zwischen Hamburg –Hbf. und Berlin von wenige als anderthalb Stunden, die leider heute nicht mehr erreicht werden.

Aber das war offensichtlich eine Pfusch-Sanierung, denn zwischen März und Juni 2009 erfolgte eine Totalsperrung zum Austausch schadhafter Betonschwellen. Die nächste Sanierung mit Totalsperrung erfolgte zwischen 11.9. und 11.12.2021. Und keine drei Jahre später ab 2024 und dann noch einmal in 2025 soll dann eine insgesamt elf Monate dauernde Totalsperrung zur erneuten Sanierung erfolgen.

Was passiert hier eigentlich? Liefert die Deutsche Bahn bei jeder Sanierung nur Pfusch ab, um wenige Jahre später mit noch größeren Aufwand und noch längeren Sperrpausen die Strecke erneut zu sanieren? Da keine Erhöhung der Maximalgeschwindigkeit auf der Strecke geplant sind, sind die Erneuerungsarbeiten an Weichen, Oberleitungen usw. nicht anders erklärbar, dass bei den vorangegangenen Sanierungen minderwertiges Material eingebaut wurde, alles zu Lasten des Steuerzahlers. Auch wurden auf der ganze Strecke Anfang der 2000er Jahre durchgängig die Bahnhöfe und Bahnsteige auf der Strecke saniert. Dass jetzt zum Aufstellen von Wetterschutzhäuschen, der Installation von Wegeleitsystemen und dem Einbau zusätzlicher Weichen in den Bahnhöfen, die man zuvor herausgerissen hatte, die Stecke fast ein Jahr lang gesperrt werden soll, liest sich fast wie ein Witz, wenn es nicht so traurig wäre. Erstaunlich ist nur, dass keiner in der Politik den Irrsinn der „Generalsanierungsstrategie“ der Deutschen Bahn hinterfragt, sondern nur bereitwillig zahlt.“

Mit freundlichen Grüßen
Michael Jung
22765 Hamburg

Hamburger Abendblatt Seit 1 vom 08.06.2023

Bahn sperrt Strecke Hamburg–Berlin elf Monate

Bergedorf Mit einem neuen Sanierungskonzept will die Deutsche Bahn pünktlicher und zuverlässiger werden. Was perspektivisch verlockend klingt, ist für Pendler zwischen Hamburg und Berlin zunächst eine schlechte Nachricht. „Im Anschluss an die schon seit Langem vorgesehene Sperrung von August bis Dezember 2024 schließen sich die Bauarbeiten konkret vom 6. Juni 2025 bis 13. Dezember 2025 in einer Vollsperrung an, sodass der Zugang und die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur in dem Bereich überwiegend nicht möglich sind“, informiert die Bahn. Heißt konkret: Elf Monate lang kein Zugverkehr auf der Strecke, die rund 30.000 Fahrgäste täglich in Fernzügen nutzen.

Statt vieler kleinteiliger Arbeiten, die den Verkehr immer wieder ausbremsen, soll auf der rund 300 Kilometer langen Strecke nun vieles gebündelt werden: Arbeiten an Gleisen, Weichen, Oberleitungen und in den Stellwerken, die modernisiert und digitalisiert werden.

In Hagenow Land und Wittenberge baut die DB die Gleise aus, um zusätzliche Überholmöglichkeiten für Züge zu schaffen. Bahnhöfe bekommen moderne Bahnsteigdächer, Wetterschutzhäuser, neue Wegeleitsysteme und größere Barrierefreiheit. Für den Personen- und Güterverkehr richtet die Bahn Umleitungen ein.

Aktuell schreibt die Bahn Grundstückseigentümer in Bergedorf und Stormarn an – sie benötigt deren Flächen für die Baulogistik. Weitere Details dazu will die DB erst nächste Woche mitteilen. Bis 2030 will das Unternehmen die Passagierzahlen verdoppeln und auch deutlich mehr Güter transportieren.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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