rail blog 248 / Joachim Holstein

Der TUI-Ferien-Express ist zurück

Im Juli 2023 ging es durch die Presse: die TUI, die jahrzehntelang ihre Kundschaft nur in Flugzeuge steckte, bietet wieder Zugreisen an:

https://www.reisevor9.de/inside/im-tui-express-durch-europa

Schon im März 2023 hatte die Werbekampagne begonnen:

Vorerst kooperiert die TUI mit »Green City Trip«, über deren Angebot man sich auf deren eigener Website und auf Nachtzug-Portalen informieren kann:

https://greencitytrip.de/de/

Und es gibt den »TUI Ski Express«, der von Amsterdam nach Österreich fährt und auch in Köln und Umgebung Reisende aufnimmt.

Bemerkenswert ist übrigens, dass die TUI in ihrem Reiseblog wie selbstverständlich auch die Nachtzüge anderer Anbieter vorstellt. Allerdings sind die Angaben nicht up to date, obwohl man sich bereits im März für meine Korrekturen und Ergänzungen bedankt hat …

Die Idee der TUI ist: Kurzreisen per Bahn sollen (wieder) so einfach werden wie früher und so einfach wie das Buchen eines Fluges und eines Hotels per Mausklick.

Alles schon mal dagewesen: Auf Wikipedia findet man einige Informationen über den »historischen« TUI-FerienExpress:

https://de.wikipedia.org/wiki/TUI-FerienExpress
Unter anderem:

Die Ausstattung entsprach hohem Niveau. Alle Liegewagen-Abteile hatten nur vier (statt sechs) Liegeplätze. Auch war jedes Abteil mit einem Kindersitz und einem Kinderbett ausgestattet. Jeder Wagen hatte neben zehn Vierbett-Abteilen ein Zweibettabteil mit Waschbecken.

Der Innenraum der Personenwagen wurde von Karl-Dieter Bodack gestaltet, im typischen Stil der 1970er Jahre in warmen Braun- und Orangetönen. Nicht belegte Sitze konnten durch Umklappen der Rückenlehne zu kleinen Tischen umgewandelt werden, und es befanden sich kleine Schließfächer für Wertsachen in jedem Abteil.

Alle Fahrzeuge waren vollklimatisiert. Das Begleitpersonal bot unterschiedliche Serviceleistungen für die Reisenden an. Es wurden neben Getränken auch kleine Snacks und das Frühstück im Abteil serviert.

Jeder TUI-FerienExpress führte zudem in der Zugmitte einen als „TUI treff“ bezeichneten Wagen mit Bar- und Speisebereich. Ferner gab es dort gelegentlich Veranstaltungen wie Kinderanimationen oder gesellige Abende, die den Reisenden die Fahrt verkürzen sollten.

Auf diesem Wege lernte ich das »Bürgerbahn«-Mitglied Karl-Dieter Bodack kennen: Als der Wirtschaftsausschuss der DB European Railservice sich Gedanken über die Rettung der Arbeitsplätze und die Zukunft der Nachtzüge machten, luden wir Karl-Dieter Bodack nach München ein, um uns das Konzept der von ihm designten Züge vorstellen zu lassen und Optionen für neue Wagen auszuloten – neben dem TUI-Ferien-Express hatte er auch den Talgo-Umbau für die »InterCity Night«-Züge der Deutschen Bahn mitgestaltet. Es war eine sehr informative, produktive Sitzung, bei der wir viel lernten. Gemäß dem Motto »dem Ingeniör ist nix zu schwör« hatte er sofort eine Lösung für die kleinen Ecken parat, an denen bei einem von uns skizzierten Liegewagen der Übergang von Abteilen mit Seitengang auf Mittelgang mit Kajüten links und rechts stattfinden würde: »Das kann man für Ski-Halterungen nutzen!«

Ich bin mir sicher: Wenn jemand damals, vor rund zehn Jahren, diese Pläne umgesetzt hätte – der Wagen wäre ein Erfolg geworden und würde heute dem Hersteller aus den Händen gerissen.

Unsere Grundüberlegung war, möglichst vieles in einem Wagen unterzubringen, um größere Stückzahlen zu erreichen. Also nur ein Typ Schlafwagen, nur ein Typ Liegewagen, jeweils mit mehreren Komfortkategorien, Sitzwagen aus dem Bestand, und dazu ein »Multifunktionswagen« mit Zugführerabteil, Mini-Bistro, behindertengerechtem Liegeabteil und WC, Gepäckraum für Fahrräder und anderes Sperrgut sowie ein paar weiteren Liegeabteilen.

In meinem Regal steht noch ein Kursbuch der DB vom Sommer 1982. Dort wurden auf 16 (!) Seiten die Urlaubszüge vorgestellt: TUI FerienExpress, Urlaubs-IC und Alpen-See-Express, jeweils mit Streckenführung, Fahrplänen und Preisen.

(Fast bin ich versucht zu sagen: Ja, liebe Generation Z, es gab eine Zeit, in der Waren und Dienstleistungen zum Garantiepreis angeboten wurden und man sich keine Sorgen machen musste, dass bei drei Anfragen vom selben Computer binnen einer Stunde ein Algorithmus des Anbieters den Preis um 20 % hochsetzt. Damals gab es noch keine Preisschocks durch einen »Algorithmus aus der Hölle«, siehe meinen Blog vom 30.12.2023.)

Man konnte unter anderem per Nachtzug von Hamburg oder Dortmund bis zur spanischen Grenze (mit Umsteigen per Sonderzug auch bis Barcelona) und bis an die ligurische Küste, nach Südtirol, an die italienische und jugoslawische Adria und nach Österreich fahren. Wer im Lande bleiben wollte, hatte im »Urlaubs-IC« das Allgäu, das Werdenfelser Land, die Region Königssee/Salzburg und den Bayerischen Wald zur Auswahl. Zwei Preisbeispiele: Hamburg-Barcelona und zurück 540 DM (drei Mahlzeiten inclusive), Hamburg-Berchtesgaden und zurück im Tageszug 274 DM. Das entsprach dem damaligen Niveau: dem Kursbuch war zu entnehmen, dass eine reguläre Fahrkarte von Hamburg nach Barcelona und zurück 595,60 DM und nach Berchtesgaden und zurück 328,00 DM kosten würde; bei Rückfahrt nach dem Wochenende 15 % weniger und mit einzelnen oder »Familienpässen« in Deutschland nur die Hälfte.

Auf Wikipedia heißt es weiter:

Wegen des großen Erfolges des TUI-FerienExpress verstärkte die Deutsche Bundesbahn ihre Aktivitäten im Urlaubsreiseverkehr, so dass der TUI-FerienExpress nach und nach Kunden verlor.

Das geschah, bevor ich 1996 bei der DB – bei der Mitropa – anfing. Ich erlebte »Wochenendzüge« (Fr/Sa hin, Sa/So zurück) und auf einigen Strecken auch die Verstärkung mit Mi/Do hin und Do/Fr zurück in Richtung Oberstdorf, Innsbruck, Bozen/Meran, Wörgl/Schwarzach-St. Veit, Bludenz, Klagenfurt, Selzthal, Maribor, Rijeka, Brig, Chur, Lausanne, Briançon und Modane in den Savoyer Alpen. Über Fahrten auf diesen Zügen hatte ich unter anderem im RailBlog 94 berichtet. Wir hatten in Österreich auch oft Gesellschaft in Gestalt der privaten Wintersportzüge, die aus den Niederlanden nach Tirol fuhren … und genau diese Relationen laufen jetzt unter dem Dach der TUI.

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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